Niedergermanischer Limes wird zum UNESCO-Welterbe
Der Höhepunkt des vergangenen Jahres war im Juli die Ernennung des Niedergermanischen Limes zum UNESCO-Welterbe. Die länderübergreifende Welterbestätte „Grenzen des Römischen Reiches – Niedergermanischer Limes“ umfasst entlang des Rheins in den Niederlanden und in Deutschland insgesamt 44 Fundplätze von Katwijk an der Nordsee (Niederlande) bis Remagen in Rheinland-Pfalz, darunter 24 in Nordrhein-Westfalen.
Passend zur Ernennung hat im September 2021 die Archäologische Landesausstellung Nordrhein-Westfalen „Roms fließende Grenzen“ eröffnet. Sie präsentiert die neuesten Forschungsergebnisse zum Niedergermanischen Limes. Fünf verschiedene Standorte (Detmold, Xanten, Bonn, Haltern am See, Köln) widmen sich mit fünf unterschiedlichen Schwerpunkten dem Leben an und mit dieser Flussgrenze (mehr Informationen unter https://www.roemer.nrw/ ).
Zu den Fundplätzen des Welterbes zählt auch das Bonner Legionslager. In Bonn-Castell* wurden bei Grabungen der Fachfirma AbisZ-Archäologie im Bereich des Lagers Gebäudereste freigelegt. Zahlreiche verstürzte, aber auch noch stehende Wände waren mit bemaltem Wandputz versehen und zeugen so von einer gehobenen Ausstattung des Militärstandortes. Auf weißem Grund waren vielfältige geometrische Muster sowie Pflanzenmotive in verschiedenen Farben aufgebracht. Rund 300 Kisten mit Wandputzfragmenten wurden gesichert und in die Werkstätten des LVR-LandesMuseums Bonn gebracht.
Lokale Funde
Im Vorfeld des Braunkohlentagebaus Garzweiler wurde bei Erkelenz-Lützerath* ein römisches Landgut des späteren 1. bis ausgehenden 4. Jh. n. Chr. vollflächig ausgegraben. Im Laufe der Zeit sind dort insgesamt acht zwischen 15 und 18 m tiefe Holzbrunnen angelegt worden. Neben den eisernen Resten einer Hebe- und Kippvorrichtung mit fassartigem Förderbehältnis im größten der Brunnen, die möglicherweise der Wasserversorgung einer Badeanlage diente, sind auch zahlreiche Gerätschaften aus Haus und Hof in die Tiefe gelangt. Neben einem Kesselhaken und Werkzeugen fanden sich auch persönliche Gegenstände, wie eine Fibel, die wahrscheinlich beim Wasserholen verloren gingen. Besonders aufschlussreich ist eine große Lanzenspitze germanischer Machart, deren anhaftende Brandspuren möglicherweise von Germanenüberfällen im 3. bis 4. Jh. Zeugnis geben.
Durch den fortschreitenden Abbau konnte in einer Kiesgrube bei Bornheim-Uedorf* der Brunnen einer villa rustica bis in 10 m Tiefe verfolgt werden. Zwischen den Tuffblöcken des Brunnenschachts fand sich eine Münze des Tetricus (271–274) als Bauopfer, sie macht eine Errichtung des Brunnens ab dem letzten Viertel des 3. Jhs. n. Chr. wahrscheinlich. Auf seine Verfüllung nach 367–375 geben Münzen der Kaiser Valentinian, Gratian und Valens Hinweise. Im Brunnen lagen zahlreiche Architekturteile und Bauschutt des Landguts, darunter auch Fragmente einer Jupitersäule inklusive der beschädigten Skulptur des darauf thronenden Göttervaters. Sie lassen auf ein Jupiterheiligtum in diesem Landgut schließen, das möglicherweise in der Spätantike Opfer von Verwüstungen wurde. Eine Teilrekonstruktion des massiven römischen Tuffsteinbrunnens ist in der Ausstellung zu sehen.
Bei einem römischen Landgut in Zülpich* konnte 2021 ein kleines Gräberfeld des 2.–4. Jhs. abschließend untersucht werden, das Bestattungen mit besonderer Ausstattung umfasste. Hervorzuheben sind feinste Glasgefäße aus fast durchsichtigem Glas aus einem der neu freigelegten Brandgräber, einem bustum, die sich unverbrannt in einer Beigabennische fanden.
In einem Brandgräberfeld des 2. und 3. Jhs. in Tönisvorst-Vorst* waren die Gräber durch dicht beieinanderliegende, rechteckige Gräbchen eingefriedet, in denen einst Zäune standen. Ein derartiger Befund war vom Niederrhein bislang unbekannt. Von dort stammen auch umfängliche Gefäßbeigaben für Speise und Körperpflege.
Am Rande einer ländlichen Straßensiedlung (vicus) aus römischer Zeit wurde bei Selfkant-Tüddern* ein Brandgräberfeld zu beiden Seiten einer römischen Straße entdeckt. In einem der Gräber aus dem 1. Viertel des 3. Jhs. n. Chr. lag der Leichenbrand eines Mannes. Unter den Beigaben sind die sog. Unguentarien in einem Männergrab ungewöhnlich. In den kleinen Glasfläschchen bewahrte man Öle, Salben oder spezielle Flüssigkeiten auf. Ungewöhnlich ist auch die Beigabe einer bereits in römischer Zeit über 4000 Jahre alten Antiquität: eine jungsteinzeitliche Beilklinge aus Jadeitit. Das Grab ist in der Archäologischen Landesausstellung NRW in Bonn zu sehen. Ein gut ausgestattetes Frauengrab mit umfangreichen Gefäßbeigaben wird in der Ausstellung Archäologie im Rheinland 2021 gezeigt.
Bei Nideggen gelang dem ehrenamtlichen Mitarbeiter Stephan Mros und dem lizenzierten Sondengänger Günther Ehlen ein besonderer Fund bei einer vom LVR-ABR beauftragten Suche: eine kostbarer Goldschmuck. Die goldene Rollenkappenfibel des 1. Jhs. n. Chr. weist einen aufwändigen Dekor aus Goldkügelchen und eckig gefassten Glasperlen auf. Wahrscheinlich stammt sie aus einer renommierten Goldschmiedewerkstatt, die sich am ehesten in der Provinzhauptstadt Köln oder auch in Gallien befunden haben dürfte.
Funde der Museen
Im LVR-Archäologischen Park Xanten kamen bei Ausgrabungen in einem Wohnviertel am Rande der römischen Stadt überraschend die Überreste eines privaten Kultbaus mit Funden von speziellen Lampen, Räucherkelchen und Pinienkernen zutage. Neue Forschungen über die ältesten Gräber im Stadtgebiet geben Hinweise auf die früheste römische Siedlung am Ort. Sie zeichnen das Bild einer ausgesprochen heterogenen Bevölkerung, die sich von Anfang an aus verschiedenen Regionen des Imperiums zusammensetzte.
Die Bodendenkmalpflege des Römisch-Germanischen Museums der Stadt Köln war auch im letzten Jahr an vielen Orten der Colonia Claudia Ara Agrippinensium tätig. Bei aufwändigen Sondagen am Marsplatz gelang es, den Verlauf der rheinseitigen römischen Stadtmauer mit dem ehemaligen Marstor genau zu dokumentieren. Dabei konnten auch außergewöhnlich gut erhaltene Baureste des römischen Torbaus mit mittelalterlichen Ausbaumaßnahmen freigelegt werden. Durch eine mit Hilfe der Radiokarbonmethode (14C) gewonnene Datierung kann die mittelalterliche Bautätigkeit mit dem Umbau des Torbaus in die für das 12. Jahrhundert bezeugte Michaelskapelle in Verbindung gebracht werden.
In der Vorstadt des römischen Köln wurden an der Frankstraße auf einer Fläche von knapp 1000 m² ein vollständig erhaltener Abschnitt der römischen Fernstraße nach Trier (Aggrippastraße) und Überreste der daran anschließenden Vorstadtbebauung ergraben. Ein parallel zur Straße verlaufender römischer Kanal diente wahrscheinlich dem Auffangen von Regenwasser für eine weitere Nutzung.
Bei einer Untersuchung im Rahmen von Leitungsverlegungen in der Christophstraße konnten die Fundamente des nördlichen Turms der Gereonstorburg aus dem frühen 13. Jh. freigelegt, dokumentiert und unterirdisch erhalten werden. Sie war Teil der großen mittelalterlichen Stadtbefestigung auf Höhe der Kölner Ringe, die auf das Jahr 1180 zurückgeht.