Stärkung der Rechte leiblicher Väter
Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 9. April 2024
Az. 1 BvR 2017/21
Der Beschwerdeführer ist leiblicher Vater eines im Jahr 2020 nichtehelich geborenen Kindes. Mit der Mutter des Kindes führte der Beschwerdeführer sei Anfang April 2019 bis kurz nach der Geburt eine Beziehung. Nach der Trennung Mitte des Jahres 2020 hatte der Beschwerdeführer zunächst noch stundenweise Kontakt mit seinem Kind. Die Mutter ging eine neue Beziehung ein, einer durch den Beschwerdeführer vor dem Standesamt abgegebenen Vaterschaftsanerkennung stimmte die Mutter nicht zu. Daraufhin stellte der Beschwerdeführer am 9. Juli 2020 bei dem Familiengericht einen Antrag auf Feststellung seiner Vaterschaft.
Die Mutter teilte dem Beschwerdeführer mit, dass sie ihm zukünftig keinen Kontakt mehr zu seinem Kind gewähren würde. Im August 2020 erkannte der neue Partner der Mutter die Vaterschaft für das Kind mit ihrer Zustimmung an und wurde somit zum rechtlichen Vater. Der Beschwerdeführer beantragte die Anfechtung der Vaterschaft des rechtlichen Vaters und die Feststellung seiner Vaterschaft. Dem kam das Familiengericht mit Beschluss vom 19. Mai 2021 nach. Auf die Beschwerde der Mutter und des rechtlichen Vaters hat das Oberlandesgericht den Beschluss des Familiengerichts dahingehend abgeändert, dass die Vaterschaftsfeststellung des leiblichen Vaters unbegründet sei, da inzwischen eine sozial-familiäre Beziehung des rechtlichen Vaters zu dem Kind entstanden sei.
Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines in Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) gewährleisteten Elternrechts.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und begründet. § 1600 Absatz 2, Alternative 1, Absatz 3 Satz 1 BGB ist mit Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 GG unvereinbar. Da der angegriffene Beschluss des Oberlandesgerichts auf der Anwendung von § 1600 Absatz 2 Alternative 1, Absatz 3 Satz 1 BGB beruht, verletzt er den Beschwerdeführer in seinem Elternrecht aus Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 GG. Dieses bedürfe im Einzelnen der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber unter Beachtung der prägenden Strukturmerkmale. Eltern im Sinne dieses Grundrechts und damit dessen Träger seien auch leibliche Väter von Kindern. Ihnen müsse die Möglichkeit rechtlicher Vaterschaft eröffnet sein. Einem Nebeneinander von leiblichem und rechtlichem Vater, denen zusammen mit der Mutter Elternverantwortung für das Kind übertragen wird, stünden die Struktur des Elterngrundrechts prägende Merkmale, insbesondere dessen Ausrichtung auf das Kindeswohl, grundsätzlich nicht entgegen. Eltern im Sinne von Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 GG müsse es grundsätzlich möglich sein, Elternverantwortung für ihre Kinder erhalten und ausüben zu können. Das gebe nicht zwingend vor, das Innehaben von Elternverantwortung und die Anzahl der Träger des Elterngrundrechts von vorneherein auf zwei Elternteile zu beschränken.
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Regelung des § 1600 Absatz 2 Alternative 1, Absatz 3 Satz 1 BGB noch bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber fort gilt, längstens jedoch bis zum 30. Juni 2025. Der angegriffene Beschluss wird an das Oberlandesgericht zurückverwiesen und der Beschwerdeführer ist berechtigt, dort die Aussetzung des Verfahrens bis zu einer gesetzlichen Neuregelung zu beantragen.
Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 9. April 2024 Az. 1 BvR 2017/21
Anspruch auf Kopien von Umgangsprotokollen nach Informationsfreiheitsgesetz
Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 28. Februar 2024
Az. 29 K 6009/21
Der Kläger ist Vater eines Sohnes, über das Sorgerecht sind familiengerichtliche Streitigkeiten anhängig. Der Kläger erhielt mit Beschluss des Familiengerichts vom 13. März 2018 das Recht zu begleiteten Umgangskontakten, über die im Rahmen des Umgangs von dem Jugendamt der Beklagten Protokolle angefertigt wurden. Ferner informierte die Beklagte den Kläger im August 2020 darüber, dass eine Meldung bezogen auf eine Kindeswohlgefährdung bei ihr eingegangen sei.
Der Kläger bat die Beklagte daraufhin um Mitteilung, welche mögliche Kindesgefährdung dies sei und bat darüber hinaus um Übersendung der Protokolle über die im Jahr 2018 durchgeführten begleiteten Umgänge in Kopie, hilfsweise um Akteneinsicht.
Dies lehnte die Beklagte mit Hinweis auf ein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse ab, da das Jugendamt auf Meldungen Dritter angewiesen sei. Zudem laufe kein Verwaltungsverfahren. Hiergegen erhob der Kläger zunächst Widerspruch und dann Klage. Ihm stehe ein Informationsanspruch aus § 25 SGB X zu.
Das Verwaltungsgericht hat entschieden, dass die Klage insoweit zulässig und begründet ist. Ein entsprechender Anspruch des Klägers ergebe sich aus § 4 Absatz 1 Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen (IFG NRW). Zwar habe der Kläger seinen Antrag nicht ausdrücklich auf das IFG NRW gestützt, dies setze § 5 Absatz 1 IFG NRW aber auch nicht voraus.
Das Jugendamt der Beklagten sei im Hinblick auf den Umgang nach § 18 Absatz 3 SGB VIII, in dessen Rahmen die streitgegenständlichen Protokolle angefertigt wurden, eine informationspflichtige Stelle im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 und 2 IFG NRW. § 4 Absatz 1 IFG NRW werde auch nicht im Wege der Subsidiarität nach § 4 Absatz 2 Satz 1 IFG NRW in Verbindung mit dem in § 35 Absatz 1 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) normierten Sozialgeheimnis ausgeschlossen. Diese Regelung enthalte ein auf Sozialdaten bezogenes Weitergabeverbot und sei keine besondere, mit dem IFG NRW konkurrierende Rechtsvorschrift über den Zugang zu amtlichen Informationen. Zudem stehe dem Informationsanspruch nicht § 9 Absatz 1 1. Halbsatz IFG NRW entgegen. Hiernach ist der Antrag auf Informationszugang abzulehnen, soweit durch das Bekanntwerden der Informationen personenbezogene Daten offenbart werden. Jedoch greift vorliegend zugunsten des Klägers die Rückausnahme aus § 9 Absatz 1. 2. Halbsatz Buchstabe e IFG NRW ein. Gemäß dieser Vorschrift wird der informationsrechtliche Anspruch wegen der Offenbarung personenbezogener Daten nicht ausgeschlossen, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller ein rechtliches Interesse an der Kenntnis der begehrten Information geltend macht und überwiegende schutzwürdige Belange der betroffenen Person der Offenbarung nicht entgegenstehen.
So liegen die Dinge hier.
Der Kläger macht ein rechtliches Interesse dergestalt geltend, dass er den Inhalt der Protokolle für das von ihm im familiengerichtlichen Verfahren angestrebte Sorgerecht für seinen Sohn benötigt. Insoweit geht es ihm um die Aufhebung der Beschränkung seines Elternrechts aus Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 GG.
Demgegenüber stehe das Recht auf informationelle Selbstbestimmung seines Sohnes. Die Protokolle über den Kontakt zwischen dem Kläger und dem Kind enthielten personenbezogene Daten, welche zugleich Sozialdaten im Sinne des § 67 Absatz 2 SGB X sind. Die Abwägung zwischen dem Auskunftsinteresse des Klägers und den Geheimhaltungsinteressen seines Sohnes nach Artikel 15 Abs. 4 DS-GVO und § 83 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 82 a Absatz 1 Nummer 2 SGB X falle im vorliegenden Einzelfall zugunsten des Klägers aus.
Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 28. Februar 2024 Az. 29 K 6009/21
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