Unterbringung des Kindes bei der Großmutter
Oberlandesgericht Frankfurt, Beschluss vom 27. Mai 2024
Az. 6 UF 86/24
Die Eltern von zwei Jahre und neun Monate alten Kinder sind nicht miteinander verheiratet und üben die Sorge aufgrund übereinstimmender Sorgeerklärung gemeinsam aus. Der Vater ist syrischer Staatsangehöriger, die Mutter ist thailändische Staatsangehörige. Die Mutter leidet unter einer Borderline-Störung und steht unter gesetzlicher Betreuung unter anderem für die Aufgabenkreise Gesundheits- und Vermögenssorge.
Sie hat einen weiteren Sohn aus einer vorangegangenen Beziehung, der in Verwandtenpflege über das Jugendamt bei der Großmutter väterlicherseits lebt. Aufgrund von erheblichen Schwierigkeiten in Bezug auf die Versorgung und Erziehung der Kinder, sowie die Haushaltsführung insgesamt, wechselte das neun Monate alte Kind (M) in den Haushalt der Großmutter. Am 11. März 2024 meldeten die eingesetzten Fachkräfte auch hier eine Gefährdung des Kindeswohls und nahmen M in Obhut.
In einem anschließenden Gerichtsverfahren sah das Amtsgericht von Maßnahmen gemäß § 1666 BGB ab. M war im Haushalt der Großmutter verblieben. Gegen diesen Beschluss wendet sich das Jugendamt mit der vorliegenden Beschwerde. Zudem beantragt das Jugendamt den angefochtenen Beschluss im Wege der einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung über die Beschwerde auszusetzen.
Die Beschwerde des Jugendamtes wird als unbegründet zurückgewiesen.
Das körperliche, geistige und seelische Wohl des betroffenen Kindes sei bei einer Betreuung und Versorgung durch die Eltern zwar konkret gefährdet. Die Art und Weise der Gefährdung mache auch eine Trennung des Kindes von den Eltern erforderlich, weil der Gefahr nicht vorübergehend bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache durch andere öffentliche Hilfen begegnet werden könne. Der einstweilige – teilweise – Entzug des Sorgerechts für M. sei dennoch nicht nach den §§ 1666, 1666a BGB, § 49 FamFG gerechtfertigt, weil die Gefahr durch die von den Eltern unterstützte Unterbringung des Kindes im Haushalt der Großmutter väterlicherseits abgewendet werden kann.
Ist eine konkrete Kindeswohlgefährdung festgestellt, dürfe gemäß § 1666a Abs. 1 Satz 1 BGB die räumliche Trennung des Kindes von seinen Eltern nur unter strikter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfolgen. Dabei sei grundsätzlich im Rahmen der Prüfung milderer Mittel die Haltung der Eltern bedeutsam. Die Notwendigkeit einer (vorübergehenden) Fremdunterbringung eines Kindes allein erfordere nicht zwangsläufig den Sorgerechtsentzug. Auch im Falle einer anzunehmenden Gefährdung des Kindeswohls würden sämtliche Maßnahmen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unterliegen. Sie müssen nicht nur geeignet und erforderlich zur Erreichung des verfolgten Zwecks sein, sondern der mit ihnen verbundene Grundrechtseingriff muss auch in einem angemessenen Verhältnis zu dem andernfalls zu erwartenden Schadenseintritt stehen. Ein gegenüber dem Entzug der elterlichen Sorge milderes Mittel könne dabei auch eine von den sorgeberechtigten Eltern für den Fall einer Trennung des Kindes von den Eltern gewünschte Unterbringung bei Verwandten sein, wenn diese zur Abwehr der Kindeswohlgefährdung geeignet ist, was hier der Fall ist.
Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt
Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII bei unbegleiteter Einreise
Verwaltungsgericht Stade, Beschluss vom 29. April 2024
Az. 4 B 368/24
Ein unbegleitet eingereister minderjähriger Ausländer wurde durch das Jugendamt der Antragstellerin vorläufig in Obhut genommen. Nachdem die Minderjährigkeit festgestellt worden war, erfolgte durch die zuständige Landesstelle innerhalb einer Woche die Zuweisung an das Jugendamt des Antragsgegners zur Inobhutnahme nach § 42 Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII.
Als die Antragstellerin den Minderjährigen etwa zwei Monate später an das Jugendamt des Antragsgegners übergeben wollte, verweigerte dies die Übernahme mit der Begründung, die Monatsfrist nach § 42b Absatz 4 Nr. 4 SGB VIII sei bereits abgelaufen und zudem seien keine freien Plätze vorhanden.
Daraufhin erhob die Antragstellerin Klage vor dem Verwaltungsgericht Stade, mit der sie die Verpflichtung des Antragsgegners begehrte, den Minderjährigen gemäß dem Zuweisungsbescheid zu übernehmen. Zugleich stellte sie einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz.
Der Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz hat Erfolg. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts ist der Antragsgegner aufgrund der bestandskräftigen Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesstelle zur Übernahme verpflichtet. Ein Ausschlussgrund aufgrund der Monatsfrist nach § 42b Absatz 4 Nr. 4 SGB VIII liege nicht vor, da das Verteilungsverfahren bereits mit dem Erlass der Zuweisungsentscheidung durchgeführt sei und nicht erst mit der tatsächlichen Übergabe des Minderjährigen. Somit sei die Frist des § 42b Abs. 4 Nr. 4 SGB VIII hier eingehalten worden.
Beschluss des Verwaltungsgerichts Stade
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