Berücksichtigung tatsächlicher Betreuungsleistungen bei Heranziehung in Höhe des Kindergeldes nach § 94 Abs. 3 SGB VIII
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26. Juni 2018
Az. 5 C 3.17
Der Sohn der Klägerin erhält Eingliederungshilfe in Form der Heimerziehung mit Beschulung. An den Wochenenden und in den Schulferien betreut die Klägerin oder der getrennt lebende Vater das Kind.
Im Februar 2014 setzte die Beklagte neben dem aus Einkommen zu zahlenden Kostenbeitrag einen weiteren Kostenbeitrag in Höhe des Kindesgeldes fest, ohne die Betreuungsleistungen anzurechnen.
Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat die Klägerin Klage vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Auf die Berufung der Klägerin änderte der Verwaltungsgerichtshof Mannheim das Urteil des Verwaltungsgerichts teilweise ab und berücksichtigte die Betreuungsleistungen.
Hiergegen hat die Beklagte Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht eingelegt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision zurückgewiesen. Zur Begründung führt es aus, dass auch auf den Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes nach § 94 Abs. 3 SGB VIII tatsächliche Betreuungsleistungen nach § 94 Abs. 4 SGB VIII anzurechnen seien. Dies ergebe sich sowohl aus dem Wortlaut als auch aus der Entstehungsgeschichte des § 94 SGB VIII. Auch Sinn und Zweck der Regelung in § 94 Abs. 4 SGB VIII bestätigten dieses Ergebnis.
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
Abgrenzung von Ausland- und Inlandhilfe im Bereich der Jugendhilfe
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 31. Mai 2018
Az. 5 C 1.17
Mutter und Kind sind deutsche Staatsangehörige, die in Rumänien leben. Im Juni 2005 stellte die Mutter bei einem deutschen Konsulat den Antrag auf Gewährung von Hilfe zur Erziehung und regte an, ihre Tochter in Deutschland unterzubringen. Dieser Antrag wurde von dem überörtlichen Träger der Jugendhilfe, dem Kläger, bearbeitet.
Im Januar 2008 wurde das Kind aufgrund mangelnder geeigneter Einrichtungen in Rumänien in einer Einrichtung in Deutschland untergebracht. Der Kläger erkannte seine Zuständigkeit für den Hilfefall nur vorläufig für den Fall an, dass der örtliche Träger, der Beklagte, seine Zuständigkeit ablehne, was dieser tat. Mit Bescheid vom März 2008 bewilligte der Kläger der Mutter Hilfe zur Erziehung rückwirkend ab Januar 2008, wies den Beklagten auf seine „Notzuständigkeit“ hin und verlangte von ihm Erstattung der Kosten.
Mit Eintritt der Volljährigkeit der Hilfeempfängerin im Mai 2014 bewilligte der Kläger Hilfe für junge Volljährige gemäß § 41 SGB VIII. Ein Hinweis an den Beklagten, die Leistung nur vorläufig zu erbringen, blieb aus.
Bereits im August 2008 hat der Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht Hannover erhoben. Dieses hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass sich zu dem Zeitpunkt, als der Kläger über die Gewährung von Jugendhilfe entschieden habe, sowohl die allein sorgeberechtigte Mutter als auch das Kind in Rumänien aufhielten und es sich deshalb um die Gewährung von Jugendhilfe im Ausland gemäß § 6 Abs. 3 SGB VIII handele. Dafür sei der Kläger zuständig.
Das Oberverwaltungsgericht hat der Berufung des Klägers weitgehend stattgegeben, da es sich nach Ansicht dieses Gerichts nicht um eine Auslandshilfe handele, wenn die Leistung tatsächlich im Inland empfangen werde. Daher sei der Beklagte zuständig gewesen.
Gegen diese Entscheidung hat der Beklagte Revision beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt. Dieses hat entschieden, dass die zulässige Revision begründet sei.
Bei der Leistung bis zur Volljährigkeit handele es sich um eine Leistung der Jugendhilfe nach § 6 Abs. 3 SGB VIII. Die Annahme einer Leistung der Jugendhilfe im Ausland nach § 6 Abs. 3 SGB VIII setze bei einem Auseinanderfallen von Leistungsberechtigtem und Leistungsempfänger voraus, dass beide ihren Aufenthalt im Ausland haben, wenn der jugendhilferechtliche Bedarf mittels eines ausdrücklich oder konkludent gestellten Antrages an einen Träger der Jugendhilfe herangetragen wird.
Über die Abgrenzung von Inlands- und Auslandshilfe sei bereits notwendig zu entscheiden, wenn der jugendhilferechtliche Bedarf an den Träger herangetragen wird, damit bereits zu diesem Zeitpunkt eine klare und rechtssichere Weichenstellung getroffen werde, welcher Jugendhilfeträger sachlich und örtlich zuständig ist.
Darüber hinaus werde eine Auslandshilfe nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts in einem laufenden Verfahren auf Gewährung von Hilfe zur Erziehung nicht dadurch beendet und in eine Inlandshilfe gemäß § 6 Abs. 1 SGB VIII umgewandelt, dass sich zwar der Leistungsempfänger, das hilfebedürftige Kind, zum Zwecke der tatsächlichen Inanspruchnahme der Leistung in das Inland begibt und dort aufhält, der Auslandsbezug jedoch fortbesteht, weil der leistungsberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort im Ausland beibehält.
Hier genüge, dass der Leistungsberechtigte, in diesem Fall die Mutter, seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland nicht aufgibt. Somit könne eine Auslandshilfe nach § 6 Abs. 3 SGB VIII auch im Inland erbracht werden.
Anders sei es im Fall der Hilfe für junge Volljährige. Hält sich ein Leistungsempfänger, der zugleich Leistungsberechtigter ist, im Inland auf, wenn der Hilfebedarf an einen Leistungsträger herangetragen wird, liege ein Fall der Inlandshilfe im Sinne des § 6 Abs. 1 SGB VIII vor. Schließe sich an eine Leistung der Auslandshilfe eine Inlandshilfe an, stelle dies eine Zäsur dar, sodass ein Zuständigkeitswechsel eintrete. Gleichwohl habe der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten gegenüber dem Beklagten, da es an einem entsprechenden Hinweis auf die vorläufige Leistungserbringung gegenüber dem Beklagten fehlt.
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
Ausreiseverbot und Unterstützung durch die Bundespolizei als Maßnahme nach § 1666 BGB
Oberlandesgericht Frankfurt, Beschluss vom 7. Juni 2018
Az. 1 UF 50/18
Die getrennt lebenden Eltern sind gemeinsam für das im Jahr 2016 geborene Kind sorgeberechtigt. Im Januar 2018 beantragte der Vater vor dem Amtsgericht, der Mutter im Wege einer einstweiligen Anordnung zu untersagen, gemeinsam mit dem Kind Deutschland zu verlassen.
Das Amtsgericht hat dem Antrag stattgegeben und erhielt den Beschluss auch im März 2018 aufrecht. Hiergegen hat die Mutter Beschwerde vor dem Oberlandesgericht erhoben.
Das Oberlandesgericht hat der Beschwerde stattgegeben. Zwar könne das Amtsgericht – Familiengericht – im Rahmen von § 1666 BGB grundsätzlich eine sogenannte Grenzsperre erlassen. Die Voraussetzungen hierfür seien vorliegend jedoch nicht erfüllt.
Voraussetzung für eine Maßnahme nach § 1666 BGB sei eine Kindeswohlgefährdung. Zwar sei eine Urlaubsreise ins Ausland in der Regel eine Angelegenheit des täglichen Lebens, über die der allein betreuende Elternteil auch bei gemeinsamer elterlicher Sorge allein entscheiden könne. Fasst ein Elternteil den Entschluss, das Kind auf Dauer ins Ausland zu verbringen, stelle dies eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung dar, die von den Eltern nur gemeinsam entschieden werden könne. Bei einer Kindeswohlgefährdung durch die befürchtete Verletzung der (mit-)sorgeberechtigten Befugnisse des anderen Elternteils könne das Gericht eine Maßnahme nach § 1666 BG erlassen. Insbesondere könne aufgrund von § 1666 BGB eine Anordnung erlassen werden, die dem Elternteil die gemeinsame Ausreise mit dem Kind untersagt. Da diese Anordnung allein nicht effektiv sei, könne auf Grundlage von § 1666 BGB zugleich das Bundespolizeipräsidium um präventivpolizeiliche Maßnahmen (sogenannte Grenzsperre) ersucht werden.
Im vorliegenden Fall sei jedoch die konkrete Befürchtung, dass die Mutter das Kind nicht wieder zurückbringe, nicht begründet. Mangels Kindeswohlgefährdung sei der Erlass der genannten Maßnahmen durch das Amtsgericht daher nicht zulässig gewesen.
Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt
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