Rheinland/Westfalen-Lippe, 9. Oktober 2019. Der Welttag des Sehens macht jährlich am 10. Oktober auf die Bedeutung des Sehvermögens sowie auf die Situation blinder und sehbehinderter Menschen aufmerksam. Auch die beiden Landschaftsverbände Rheinland (LVR) und Westfalen-Lippe (LWL) weisen in diesem Zusammenhang auf die Expertise und das wichtige sonderpädagogische Angebot ihrer Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt „Sehen“ hin. Die spezielle Förderung ist für viele Kinder und Jugendliche mit einer Sehbehinderung entscheidend, damit sie ihre individuellen Sehbedingungen frühzeitig stärken und entfalten können. Der LVR ist Träger von fünf Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt „Sehen“ in Aachen, Düsseldorf, Duisburg, Köln und Düren. Der LWL ist Träger von sieben Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt Sehen in Bielefeld, Dortmund, Gelsenkirchen, Münster, Olpe, Paderborn und Soest. Darüber hinaus unterhält der LWL ein Berufsbildungswerk in Soest – Förderzentrum für blinde und sehbehinderte Menschen.
Förderschulen und Inklusion stehen für LVR und LWL dabei nicht im Gegensatz zueinander. Prof. Dr. Angela Faber, LVR-Dezernentin für Schulen, Inklusionsamt, Soziale Entschädigung, und LWL-Schuldezernentin Birgit Westers sagen anlässlich des Welttags des Sehens: „Wir müssen bei der Inklusion immer das Kind in den Mittelpunkt stellen. Ob Gemeinsames Lernen von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Sehbehinderung in der allgemeinen Schule oder die zielgerichtete Förderung an den Förderschulen: Der Maßstab sollte immer das Kind mit seinen Fähigkeiten sein.“ Dabei könne für die einen das Gemeinsame Lernen an allgemeinen Schulen genauso sinnvoll sein, wie eben für andere die Förderschule. „Inklusion muss auch nicht vom Förderort abhängig sein“, so die beiden Dezernentinnen weiter. „Im Zuge der Umsetzung der Inklusion werden sich vielmehr auch die Förderschulen hin zu Expertisezentren weiterentwickeln. Neben der Beschulung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischen Unterstützungsbedarfen werden sie mit ihrem Expertenwissen den Prozess schulischer Inklusion insbesondere durch Beratung, Materialpool, Peergroup-Angebote, Hospitationsangebote und Fortbildungen unterstützen.“
Wie wichtig professionelle Förderung und sonderpädagogische Expertise sein können, zeigt das Beispiel von Louis. Der heute Neunjährige besucht die zweite Klasse einer allgemeinen Grundschule als bei ihm plötzlich eine rapide fortschreitende Augenerkrankung auftritt. Mit dieser neuen Situation müssen sich nun nicht nur Louis selbst und seine Familie, sondern auch die Schule arrangieren. Zwar bemühen sich die Lehrerinnen und Lehrer auch nach seiner Versetzung in das dritte Schuljahr sehr, Louis‘ Nachteile durch seine Sehbehinderung mit Vergrößerungen und Zeitzugaben aufzufangen. Doch trotz aller Bemühungen und Akzeptanz herrscht zunehmend Hilflosigkeit im Umgang mit der für alle Beteiligten neuen Beeinträchtigung. Auf Wunsch von Louis‘ Eltern wechselt er noch während des Schuljahres in die Kölner LVR-Severin-Schule. Hier lernt Louis rasch die Punktschrift und lernt so seine Sehbehinderung zu kompensieren. Das dritte Schuljahr wiederholt Louis aktuell auf Wunsch seiner Eltern. Dank der gezielten Förderung kann Louis nun aber mit einem neuen Selbstbewusstsein durch den Schulalltag und sein Leben gehen.
Serap hat eine starke Sehschädigung und wird bereits seit ihrem zweiten Lebensjahr von der LVR-Severin-Schule begleitet und gefördert – angefangen mit der Frühförderung über den Besuch der Vorschule bis durch die Grundschulzeit. Ihre Lehrerinnen und Lehrer beschreiben sie als fit und selbständig und sind optimistisch, was ihre weitere Schulkarriere betrifft. Auf den Besuch einer wohnortnahen Realschule bereitet die Kölner Schule Serap unter anderem mit einem speziellen Orientierungs- und Mobilitätstraining durch einen Trainer vor. So schafft Serap es, sich in dem für sie neuen Schulgebäude und auf dem Schulweg zurechtzufinden. Aber auch die Realschule wird von der LVR-Schule bei den Vorbereitungen für Seraps Schulbesuch beraten: So müssen unter anderem Hilfsmittel beschafft werden, eine Tafelbeleuchtung installiert werden und die Treppenabsätze markiert werden. Auch an der neuen Schule wird Serap von einer Sonderpädagogin der LVR-Severin-Schule unterstützt. Zudem benutzt sie technische Hilfsmittel und erhält als Nachteilsausgleich eine Zeitzugabe. Heute besucht sie die zehnte Klasse und bereitet sich auf die Prüfungen für den Realschulabschluss vor. Voraussichtlich wird sie schon bald gemeinsam mit sehenden Jugendlichen ein Gymnasium besuchen.
Die Eltern von Jonas haben sich bewusst entschieden, ihren sechsjährigen Sohn von Anfang an bei einer Förderschule anzumelden. Jonas besuchte zwei Jahre lang die Frühförderstelle der LVR-Severin-Schule und sollte eigentlich gemeinsam mit Kindern ohne Behinderung an einer wohnortnahen Grundschule den Unterricht besuchen. Nach dem Vorschuljahr wägten seine Eltern alle Vor- und Nachteile ab. Das Ergebnis: Das kleine System der Förderschule mit maximal 14 Kindern pro Klasse sowie der förderschwerpunktübergreifende Unterricht durch zwei Lehrkräfte schienen aus ihrer Sicht die besten Bedingungen für Jonas zu bieten. Auch war ihnen eine verlässliche Lernumgebung wichtig, was in der Kölner Schule durch die jahrgangsübergreifenden Familienklassen gewährleistet wird. Wenn Kinder eine Klasse wiederholen, bleiben die Rahmenbedingungen unverändert und es finden keine Lehrerwechsel statt.
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