Vorerst weiterhin keine Kinderbetreuung ohne Impfung
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 11. Mai 2020
Az. 1 BvR 469/20, 1 BvR 470/20
Das BVerfG hat Anträge auf vorläufige Außerkraftsetzung mehrerer, den Nachweis einer Masernschutzimpfung als Voraussetzung für die Kinderbetreuung betreffende Regelungen des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) abgelehnt. Mit ihren Anträgen auf einstweilige Anordnung wollten die Beschwerdeführer erreichen, dass eine entsprechende Betreuung bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerden auch ohne den entsprechenden Nachweis erfolgen darf.
Bei der unter strengen Maßstäben für eine Außerkraftsetzung des Vollzuges eines Gesetzes durchzuführenden Abwägung, überwog in diesem Eilverfahren das Interesse an der Abwehr des Risikos einer Maserninfektion für Leib oder Leben vieler Menschen gegenüber dem Interesse, Kinder ohne die Schutzimpfung in einer Gemeinschaftseinrichtung betreuen zu lassen.
Unklar, ist wann über die Verfassungsbeschwerden in der Hauptsache entschieden wird. Das BVerfG hält diese jedenfalls nicht für offensichtlich unbegründet.
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Mai 2020
Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Vollstreckung von Entscheidungen über das Umgangsrecht
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27. November 2019
Az. XII ZB 311/19
Die alleinsorgeberechtigte Mutter lebte mit dem gemeinsamen Sohn in Irland. Der Vater des Kindes begehrte die Durchsetzung seines Umgangsrechts vor einem deutschen Amtsgericht. Nachdem das Amtsgericht den Antrag auf Verhängung eines Ordnungsgeldes mit der Begründung fehlender Zuständigkeit ablehnte, hat das Oberlandesgericht diesen Ablehnungsbeschluss aufgehoben und dem Amtsgericht die erneute Entscheidung übertragen.
Der Bundesgerichtshof hat die gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichtes eingelegte Rechtsbeschwerde abgelehnt.
Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ergibt sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die Festsetzung eines Ordnungsgeldes zur Durchsetzung eines deutschen Umgangstitels aus § 99 Abs. 1 FamFG. Aus vorrangigen völker- oder europarechtlichen Regelungen, insbesondere nicht der Brüssel IIa-Verordnung, folge kein anderes Ergebnis. Eine internationale Zuständigkeit sei auch dann gegeben, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort in einem anderen Mitgliedsstaat habe.
Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 27. November 2019
Recht der Mutter auf nachträgliche Anfechtung der Vaterschaft
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18. März 2020
Az. XII ZB 321/19
Die Antragstellerin und der Antragsgegner hatten seit September 2014 eine Beziehung, hatten sich mehrfach getrennt und sind immer wieder zusammengekommen. Im Zeitraum von September 2015 bis März 2016 waren sie ebenfalls getrennt und die Antragstellerin wurde von einem anderen Mann schwanger. Darauffolgend ist die Antragstellerin wieder mit ihrem ursprünglichen Partner, dem Antragsgegner, zusammengekommen. In dem Wissen um die Schwangerschaft und mit dem Ziel, dass das Kind als eheliches Kind des Antragsgegners geboren werden sollte, schlossen dieser und die Antragstellerin im Mai 2016 die Ehe.
Am 11. Oktober 2016 wurde die Tochter geboren, im September 2107 trennten sich die Antragstellerin und der Antragsgegner erneut und die Ehe wurde im Januar 2019 rechtskräftig geschieden. Im Juli 2018 beantragte die Antragstellerin beim Amtsgericht die Feststellung, dass der Antragsgegner nicht der Vater der Tochter sei, dem das Amtsgericht auch nachgekommen ist.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners hat das Oberlandesgericht Bamberg zurückgewiesen.
Die zugelassene Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof hatte keinen Erfolg.
Gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 3 BGB ist die Mutter berechtigt, die Vaterschaft anzufechten. Der BGH führt aus, dass der Antragsgegner nicht der leibliche Vater der Tochter sei und die Anfechtungsfrist des § 1600 b Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BGB innerhalb der ersten zwei Lebensjahre des Kindes gewahrt sei. Dazu komme, dass weder die Feststellung nach § 1599 Abs. 1 BGB von weiteren Voraussetzungen abhängig – insbesondere nicht von einer Kindeswohldienlichkeit -, noch das Anfechtungsrecht der Antragstellerin nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ausgeschlossen sei.
Es stünden sich verschiedene widerstreitende Grundrechtspositionen gegenüber, namentlich die jeweils von Art. 6 Abs. 2 S. 1 Grundgesetz geschützte elterliche Sorge sowohl der Mutter als auch des Vaters. Hinzu käme das Recht des Kindes auf Erhalt seiner rechtlichen und sozialen familiären Zuordnung aus Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz. Durch die Anfechtungsfrist habe der Gesetzgeber dem Rechnung getragen und einen Ausgleich geschaffen.
Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs liegt in dem Fall auch kein Rechtsmissbrauch wegen widersprüchlichen Verhaltens vor. Die Zwei-Jahresfrist sei für die Mutter auch gerade als Überlegungsfrist insbesondere darüber gedacht, ob sich „die mit der rechtlichen Vaterschaft verbundenen Erwartungen“ erfüllt hätten.
Das durch die Anfechtung die seelische Entwicklung des Kindes beeinträchtigt würde, sei nicht ersichtlich.
Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 18. März 2020
Garantenstellung und Sorgfaltspflichten von Mitarbeitern des Jugendamtes bei Kindeswohlgefährdung
Landgericht Arnsberg, Urteil vom 7. Januar 2020
Az. 3 Ns-411 Js 274/16-101/17
Eine Mitarbeiterin des ASD wurde wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen verurteilt mit der Begründung, der ihr, als für die Problemfamilie zuständigen Sozialarbeiterin, obliegenden Garantenpflicht nicht nachgekommen zu sein. Die Stellung einer Beschützergarantin entsteht nach Ansicht des Gerichts, bei der tatsächlichen, längerfristigen Betreuung der Familie und der daraus entstehenden Übernahme und dadurch eigens übernommenen Aufgabenerfüllung des Schutzes der Kinder. Die Garantenstellung liege in dem Zeitpunkt vor, indem objektiv gewichtige Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung bekannt werden.
Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 7. Januar 2020
Umgangskontakte während der Pandemie
Amtsgericht Frankfurt, Beschluss vom 9. April 2020
Az. 456 F 5092/20 EAUG
Das AG Frankfurt hat mit Beschluss von Anfang April klargestellt, dass auch in Zeiten von Corona und dadurch bedingten Kontaktbeschränkungen, Umgangskontakte nicht per se ausgeschlossen sind. Im Rahmen der Abwägung zwischen den bestehenden Gesundheitsrisiken und des Abbruchs der Bindung zum anderen Elternteil, fällt das Wohl und das Interesse des Kindes an einem regelmäßigen Kontakt zum anderen Elternteil wesentlich ins Gewicht.
Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt vom 9. April 2020
Verhängung eines Ordnungsgeldes aufgrund verweigerten Umgangs in Corona-Krise
Amtsgericht Frankfurt, Beschluss vom 16. April 2020
Az. 456 F 5086/20 EAUG
Mit Beschluss vom 31. März 2020 wurde der begleitete Umgang des betroffenen Kindes mit seinem Vater zum Zwecke der weiteren Kontaktanbahnung geregelt. Vereinbarte Termine sagte die Mutter aber kurz vorher mit der Begründung der globalen Corona Situation und zum Schutze der gemeinsamen Tochter für den Monat April ab. Die Umgänge fanden somit nicht statt. Das Gericht ordnete daraufhin aufgrund mangelnder sachlicher Gründe für die Nichtdurchführung des Umgangs wegen der Zuwiderhandlung gegen einen Vollstreckungstitel zur Regelung des Umgangs gegenüber der Mutter ein Ordnungsgeld an.
Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt vom 16. April 2020
Krankenhilfe nach § 40 SGB VIII
Verwaltungsgericht München, Beschluss vom 7. April 2020
Az. M 18 E 20.1277
Die Antragstellerin befand sich seit dem 24. Januar 2019 in Untersuchungshaft im Bereich der Antragsgegnerin.
Zuvor lebte sie mit ihrem Lebensgefährten in einer Wohnung im Rahmen eines Untermietverhältnisses im Stadtgebiet der Antragsgegnerin. Das Mietverhältnis war bis zum 28. Februar 2019 befristet.
Zum Zeitpunkt der Inhaftierung war sie bereits schwanger und stellte einen Antrag für die Übernahme der Kosten für die Unterbringung in einer Mutter-Kind-Abteilung in der Justizvollzugsanstalt.
Die Antragsgegnerin leitete diesen Antrag unter Berufung auf ihre mangelnde Zuständigkeit an den Beigeladenen weiter, da sich die Zuständigkeit gemäß § 86 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII nach dem tatsächlichen Aufenthalt des Kindes, im Bereich des Beigeladenen, richten werde.
Der Beigeladene schickte den Antrag erneut an die Antragsgegnerin zurück. Da sich die Mutter in Untersuchungshaft befände, bestehe weiterhin im Gebiet der Antragsgegnerin der gewöhnliche Aufenthalt der Mutter.
Der Antrag wurde erneut an den Beigeladenen zurückgesandt. Das Mitverhältnis habe entsprechend dem Untermietvertrag geendet und somit habe die Mutter dort auch keinen gewöhnlichen Aufenthalt mehr.
Der Beigeladene teilte mit, dass er die Hilfe im Rahmen von § 22 SGB VIII zunächst vorläufig entsprechend § 86d SGB VIII gewähren werde, sofern das Kind in dessen Bereich geboren wird.
Am 26. August 2019 leitete die Antragsgegnerin den dann gestellten Antrag auf Übernahme der Krankenhilfe an den Beigeladenen weiter. Der Beigeladene leitete den Antrag auf Krankenhilfe wiederum an die Antragsgegnerin zurück, denn es handele sich um einen Antrag nach §§ 47 ff. SGB XII auf Sozialhilfe und richte sich daher nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der Mutter vor Inhaftierung. Krankenhilfe nach § 40 SGB VIII komme nicht in Betracht, da es sich nicht um eine Hilfe zur Erziehung nach §§ 27 ff SGB VIII handele.
Das Kind wurde am 28. August 2019 geboren.
Mit Schreiben vom 14. Januar 2020 beantragte die Antragstellerin beim Sozialgericht Augsburg im Wege der einstweiligen Anordnung, die Antragsgegnerin zu verpflichten, für die Tochter Krankenhilfe zu leisten. Das Verfahren wurde an das Verwaltungsgericht München verwiesen.
Das Verwaltungsgericht München hat entschieden, dass der Beigeladene der örtlich zuständige Träger der Jugendhilfe sei.
Die Mutter habe ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich der Antragsgegnerin aufgegeben, da es aufgrund des befristeten Untermietverhältnisses keine Rückkehroption mehr gebe. In einer Untersuchungshaft könne man keinen gewöhnlichen Aufenthalt begründen, sodass das Kind auch keinen gewöhnlichen Aufenthalt mit der Mutter vor Beginn der Leistung teile. Maßgeblich sei damit der tatsächliche Aufenthalt des Kindes vor Beginn der Leistung im Gebiet des Beigeladenen.
Die Krankenhilfe nach § 40 SGB VIII sei kein selbstständiger Leistungstatbestand, sondern eine Annexleistung zu den in der Vorschrift genannten Formen der Hilfe zur Erziehung.
Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei die Unterbringung und Betreuung der Familie in der Mutter-Kind-Einrichtung der Anstalt vorliegend als Hilfe zur Erziehung gemäß § 27 SGB VIIII einzuordnen. Dass der Beigeladene es selbst als Leistung nach §§ 22, 24 SGB VIII subsumiere, stehe dem nicht entgegen, denn nicht die Etikettierung der geleisteten Hilfe, sondern deren tatsächlicher Inhalt sei entscheidend.
Zwar würden Mutter-Kind-Einrichtungen des Strafvollzuges im Wortlaut des § 40 SGB VIII nicht explizit benannt, aber eine entsprechende Anwendung auch bei dieser Sonderform der Hilfegewährung müsse man annehmen, denn Sinn und Zweck des Zusammenspiels von § 40 SGB VIII und den meist vollstationären Leistungen sei die Gewährung aus einer Hand.
Das Verwaltungsgericht Münster ist der Auffassung, dass der Beigeladene nach § 86 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII der örtlich zuständige Träger der Hilfe nach § 27 SGB VIII sowie der Krankenhilfe ist.
Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 7. April 2020
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