Sollte diese E-Mail nicht richtig dargestellt werden, klicken Sie bitte hier.
Bildtext
 
 
 
27. April 2016 | Jugend
Zwischenbilanz der Verteilung: Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in NRW
Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge in NRW seit November 2015 um 66 Prozent gestiegen / NRW erfüllt 92 Prozent der Aufnahmequote / 78 Prozent der seit November 2015 verteilten jugendlichen Flüchtlinge sind zwischen 1998 und 2000 geboren, der Großteil kommt aus Afghanistan, Syrien und Irak / 92 Prozent männlich, 8 Prozent weiblich / Übersicht zu den Aufnahmezahlen aller Jugendämter in NRW

Köln. 27. April 2016. Seit dem 1. November 2015 werden minderjährige Flüchtlinge, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, gleichmäßig auf Bundesländer und Kommunen verteilt. In Nordrhein-Westfalen organisiert dies die Landesstelle für die Verteilung unbegleiteter ausländischer Minderjähriger in Nordrhein-Westfalen (Landesstelle NRW). Der Landschaftsverband Rheinland (LVR), bei dem die Landesstelle NRW angesiedelt ist, hat nun im Rahmen einer Zwischenbilanz Zahlen zur Verteilung vorgestellt.

Aktuell leben rund 67.500 junge Flüchtlinge in Deutschland, die ohne Eltern oder Sorgeberechtigte eingereist sind. 13.100 von ihnen sind in NRW untergebracht (19,5 Prozent). Das Bundesland erfüllt damit rund 92 Prozent der nach Königsteiner Schlüssel festgelegten Aufnahmequote und gehört zu den Ländern, die weitere unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufnehmen. Die Schließung der Balkanroute macht sich jedoch auch in NRW bemerkbar. Während im November 2015 noch rund 2.400 junge Menschen untergebracht werden mussten, waren es im März 2016 nur noch rund 600.

Infografik Quotenerfüllung Bundesländer
Aufnahme von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen: Die Quotenerfüllung der Bundesländer im Vergleich (Stand: 15.4.2016)

Grundlage für die Verteilung auf die Jugendämter der Kommunen ist ein tagesaktuell ermittelter Schlüssel. Zurzeit nehmen Kommunen einen unbegleiteten minderjährigen Flüchtling pro 1.320 Einwohner auf. „Ziel der neu geregelten Verteilung war eine Entlastung der Kommunen, die zuvor aufgrund ihrer geografischen Lage besonders viele allein reisende Flüchtlinge aufnehmen mussten. Zwar gibt es auch heute noch eine Ballung in bestimmten Städten. Ohne die NRW-weite gleichmäßige Verteilung auf alle Kommunen hätten die betroffenen Jugendämter jedoch keine Chance gehabt, die Versorgung und Unterbringung in zumutbarer Art und Weise zu organisieren“, so LVR-Jugenddezernent Lorenz Bahr.

Über das Alter und die Herkunft der jungen Flüchtlinge liegen Daten ab dem Beginn der Verteilung im November 2015 vor: Ein Großteil der Kinder und Jugendlichen, die Jugendämter in NRW unterbringen, sind männlich (92 Prozent), nur 8 Prozent sind weiblich. Über 80 Prozent stammen aus Afghanistan (42 Prozent), Syrien (28 Prozent) oder dem Irak (11 Prozent). Rund 10 Prozent kommen aus Guinea (3 Prozent), Marokko (2 Prozent), Somalia (2 Prozent) oder dem Iran (2 Prozent). Der Löwenanteil der ohne Begleitung einreisenden jugendlichen Flüchtlinge ist zwischen 1998 und 2000 geboren (1998: 23 Prozent, 1999: 37 Prozent, 2000: 18 Prozent). Ein kleiner Anteil der unbegleiteten Flüchtlinge (2 Prozent) ist in den Jahren 2007 bis 2015 geboren.

Infografik Herkunftsländer
Nationalität: Herkunftsländer der seit November 2015 in NRW eingereisten unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge (Stand: 21.4.2016)

Zu Beginn der gleichmäßigen Verteilung minderjähriger Flüchtlinge auf alle Kommunen stellte die Aufnahme insbesondere für kleinere Jugendämter eine anspruchsvolle Aufgabe dar. Es mussten nicht nur Sprachbarrieren überwunden werden. Auch der Umgang mit traumatisierten Jugendlichen, das Schaffen von Plätzen in Jugendhilfe-Einrichtungen und Pflegefamilien sowie der Aufbau von interkulturellen Kompetenzen standen im Fokus. Das LVR-Landesjugendamt hat Jugendämter mit Fachveranstaltungen, Beratung, Richtlinien und Fortbildungsangeboten zum Thema unterstützt. „Die Jugendämter und Träger in NRW haben sich mit großem Einsatz ihrer neuen Aufgabe gestellt. Es wurden Kompetenzen aufgebaut und Netzwerke gebildet, um geflüchteten Kindern und Jugendlichen einen guten Start in Deutschland zu ermöglichen“, so Bahr weiter.

Ansprechpartner für redaktionelle Fragen:

Till Döring
LVR-Kommunikation
Tel.: 0221 809-7737
till.doering@lvr.de




„Struktur ins Chaos bringen“

Drei Fragen an Antje Steinbüchel

Leiterin der Landesstelle für die Verteilung unbegleiteter ausländischer Minderjähriger in Nordrhein-Westfalen (Landesstelle NRW) beim Landschaftsverband Rheinland (LVR)

Porträtbild Antje Steinbüchel
Antje Steinbüchel, Foto: Heike Fischer/LVR

Seit November 2015 leitet Antje Steinbüchel die Landesstelle NRW beim LVR-Landesjugendamt in Köln. Zu diesem Zeitpunkt stehen Ministerien, örtliche Jugendämter und Landesjugendämter unter großem Druck, denn bislang mussten unbegleitete minderjährige Flüchtlinge vom Jugendamt an ihrem Einreiseort in Obhut genommen werden. Diese Regelung hatte dazu geführt, dass über die Hälfte der jungen Flüchtlinge von den Jugendämtern in Aachen, Bielefeld, Bochum, Dortmund, Düsseldorf, Köln und Wuppertal versorgt werden mussten. Dies führte zu einer Überlastung der Jugendämter vor Ort und soll durch eine gleichmäßige Verteilung auf Bundesländer und Kommunen geändert werden. So soll auch in Zeiten hoher Einreisezahlen eine Versorgung und Unterbringung der Kinder und Jugendlichen ermöglicht werden, die der UN-Kinderrechtekonvention genügt. In der Landesstelle NRW organisieren zwei Sozialpädagoginnen und drei Verwaltungskräfte gemeinsam mit Steinbüchel die Verteilung auf die Jugendämter der Kommunen in Nordrhein-Westfalen.

Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie an die Anfänge der Verteilung Ende des vergangenen Jahres denken?

Die Situation war zu Beginn ganz schön unübersichtlich. Es kam vor, dass bei Jugendämtern eine Gruppe junger Flüchtlinge vor der Tür stand und es keine Plätze für sie gab. Das neue Verfahren musste von Jugendämtern, Trägern und uns erst noch geübt werden. Die Zusammenarbeit musste sich einfach einspielen.

Nach etwa zwei Monaten hatten wir endlich etwas Struktur in das Chaos gebracht. Die Zusammenarbeit mit den örtlichen Jugendämtern läuft nun außerordentlich gut. Es wurden von den Trägern viele Plätze geschaffen, die uns von Jugendämtern oft auch aktiv angeboten werden. Diese Informationen sind sehr hilfreich für uns. Wenn wir zum Beispiel wissen, dass es in einer Einrichtung einen Mitarbeiter gibt, der Farsi spricht, dann können wir afghanische Jugendliche, die nach NRW kommen, gezielt dort unterbringen und ihnen so den Start erleichtern.

Worauf achten Sie noch bei der Zuweisung der Jugendlichen?

Zunächst muss man wissen, dass die Jugendlichen zwar ohne Eltern oder Sorgeberechtigte einreisen, aber meist trotzdem nicht allein. Sie reisen in Gruppen mit anderen Jugendlichen, Erwachsenen oder Verwandten. Diese familiären Bindungen oder Fluchtgemeinschaften versuchen wir auf jeden Fall bei der Zuweisung zu berücksichtigen. Bei einer gemeinsamen Zuweisung ist die Akzeptanz unter den Jugendlichen wesentlich höher. Schwierig wird es jedoch, wenn die Minderjährigen durch uns und die Erwachsenen durch die Bezirksregierung Arnsberg demselben Ort zugewiesen werden sollen. Dieses Verfahren muss noch verbessert werden. Ansonsten versuchen wir Alter, Herkunft und Sprache zu berücksichtigen und schicken beispielsweise gleichaltrige syrische Jugendliche an einen Ort.

Wo werden die Jugendlichen von den örtlichen Jugendämtern untergebracht?

Zum Glück haben wir heute nicht mehr die Situation, dass Jugendliche wochenlang in Hotels oder in großen Erstaufnahmeeinrichtungen wohnen müssen, weil es keine Plätze gibt. Die Unterbringungsformen variieren: Viele Jugendliche leben in Wohngruppen der stationären Jugendhilfe. Einige Kommunen haben aber auch gezielt und teils mit großem Erfolg versucht, Pflegefamilien für die Aufnahme von jugendlichen Flüchtlingen zu gewinnen. Das kann eine gute Lösung sein. In einem Fall haben wir aus Dankbarkeit sogar ein Foto mit dem Titel „Omar und Ali im Glück“ geschickt bekommen, das zwei Brüder zeigt, die zusammen von einer Pflegefamilie aufgenommen wurden.

Gleichzeitig sind Jugendämter gefordert, im Einzelfall zu entscheiden, was sinnvoll ist und Pflegefamilien professionell zu begleiten. Ältere Jugendliche sind nach ihrer langen Flucht zum Beispiel oft schon so selbständig, dass sie der Alltag in einer Familie einengt und sie gerne möglichst selbstbestimmt leben wollen. Diese Bedürfnisse versuchen die Jugendämter natürlich zu berücksichtigen.

Materialien zum Download

Infografiken
Infografik zur Verteilung Verteilung: Das passiert nach der Einreise eines unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings
Download Download Bild (JPG, 646 KB)
Infografik Entwicklung Anzahl Anzahl unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge in Deutschland und NRW: Die Entwicklung seit dem Start der Verteilung (Stand: 15.4.2016)
Download Download Bild (JPG, 530 KB)
Infografik Quotenerfüllung Bundesländer Aufnahme von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen: Die Quotenerfüllung der Bundesländer im Vergleich (Stand: 15.4.2016)
Download Download Bild (JPG, 1,53 MB)
Infografik Alter Alter: Geburtsjahrgänge der seit November 2015 in NRW eingereisten unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge (Stand: 21.4.2016)
Download Download Bild (JPG, 438 KB)
Infografik Herkunft Nationalität: Herkunftsländer der seit November 2015 in NRW eingereisten unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge (Stand: 21.4.2016)
Download Download Bild (JPG, 521 KB)
Daten und Fakten
Überblick: Aufnahmezahlen aller Jugendämter in NRW (PDF, 100 kB)
Internetseite LVR-Landesjugendamt Rheinland
Fotos
Bild zeigt Jugendlichen an einem Schreibtisch Symbolbild 1: Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im LVR-Jugendheim Halfeshof, Solingen. Foto: Marion Koell/LVR
Download Download Bild (JPG, 5,47 MB)
Bild zeigt einen Jugendlichen mit Betreuerin in der Küche Symbolbild 2: Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im LVR-Jugendheim Halfeshof, Solingen. Foto: Marion Koell/LVR
Download Download Bild (JPG, 5,66 MB)
Bild zeigt zwei Jugendliche in einer Wohngruppe Symbolbild 3: Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im LVR-Jugendheim Halfeshof, Solingen. Foto: Marion Koell/LVR
Download Download Bild (JPG, 6,33 MB)
Bild zeigt Antje Steinbüchel Porträtbild Antje Steinbüchel. Foto: Heike Fischer/LVR
Download Download Bild (JPG, 2,26 MB)

Über den LVR:

Der Landschaftsverband Rheinland (LVR) arbeitet als Kommunalverband mit rund 22.000 Beschäftigten für die 9,8 Millionen Menschen im Rheinland. Mit seinen 41 Schulen, zehn Kliniken, 20 Museen und Kultureinrichtungen, vier Jugendhilfeeinrichtungen, dem Landesjugendamt sowie dem Verbund Heilpädagogischer Hilfen erfüllt er Aufgaben, die rheinlandweit wahrgenommen werden. Der LVR ist Deutschlands größter Leistungsträger für Menschen mit Behinderungen und engagiert sich für Inklusion in allen Lebensbereichen. „Qualität für Menschen“ ist sein Leitgedanke.

Die 13 kreisfreien Städte und die zwölf Kreise im Rheinland sowie die StädteRegion Aachen sind die Mitgliedskörperschaften des LVR. In der Landschaftsversammlung Rheinland gestalten gewählte Mitglieder aus den rheinischen Kommunen die Arbeit des Verbandes.

Ihr Profil / Abmeldung
Wir senden Ihnen E-Mails nur mit Ihrem Einverständnis zu. Hier können Sie Ihr Abonnement verwalten:
Profil bearbeiten
Abonnement beenden
Impressum
Landschaftsverband Rheinland
Fachbereich Kommunikation
Leitung: Dr. Doris Hildesheim (komm.)
50663 Köln
presse@lvr.de
www.lvr.de
© 2024 Landschaftsverband Rheinland (LVR)