Herabwürdigung durch Facebook-Eintrag
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16. August 2016
Az. VI ZB 17/16
Die Beklagte ist die Mutter einer Mitschülerin des 10-jährigen Klägers.
Sie veröffentlichte auf ihrem Facebook-Profil einen Beitrag, in welchem sie schrieb, dass ihre Tochter von einem „asozialen Abschaum“, an anderer Stelle des Beitrags als „Abschaum Blag“ bezeichnet, in der Schule „vermöbelt“ worden sei. Hintergrund des Eintrags war eine leichte körperliche Auseinandersetzung der Kinder im Sportunterricht.
Der Kläger begehrt nun von der Beklagten Unterlassung ehrverletzender Äußerungen und Veröffentlichung des Unterlassungsausspruchs auf ihrem Facebook-Profil.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und den Streitwert auf bis zu 600 Euro festgesetzt. Dies wurde vom Berufungsgericht bestätigt. Es führt in seinem Beschluss aus, die Äußerungen seien nicht eindeutig auf den Kläger bezogen. Das betroffene Integritätsinteresse des vermögensrechtlichen Unterlassungsanspruchs sei nur von geringer Natur.
Der BGH führt im vorliegenden Beschluss aus, es handele sich beim Unterlassungsanspruch vielmehr um einen nichtvermögensrechtlichen Anspruch. Für die Bemessung der Beschwer sind daher nach freiem Ermessen alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere Umfang und Bedeutung der Sache für den Kläger selbst zu berücksichtigen. Dieses Ermessen hat das Berufungsgericht nach Ansicht des Bundesgerichtshofs fehlerhaft ausgeübt. Es habe nicht berücksichtigt, dass jedes minderjähriges Kind ein Recht auf ungehinderte Entfaltung seiner Persönlichkeit und ungestörte kindgemäße Entwicklung habe. Dieses Recht umfasse dabei sowohl die Privatsphäre als auch die Öffentlichkeit. Ein Facebookeintrag eines Erwachsenen, der einem 10-jähirgen Jungen zu Unrecht unterstellt, Täter einer Gewalttat zu sein und ihn als „asozialer Abschaum“ bezeichnet, sei geeignet dieses Schutzgut zu verletzen. Damit ergibt sich ein Beschwerdewert von deutlich über 600 Euro allein für den Unterlassungsantrag.
Der BGH hat die Sache daher an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Feststellung der Minderjährigkeit bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 13. Dezember 2016
Az. 12 CE 16.2333
Der Antragssteller reiste im August 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Bei seiner Registrierung durch die Bundespolizei legte diese sein Geburtsdatum auf den 1. Januar 1994 fest.
Im Dezember 2015 ließ der Antragssteller zum Beweis der Tatsache, dass er am 5. Januar 2000 geboren sei, zwei aus Syrien beschaffte Dokumente in arabischer Schrift vorlegen.
Am 15. März 2016 fand die Inaugenscheinnahme des Antragsstellers durch das Jugendamt statt. Der Antragsgegner lehnte die Inobhutnahme mit der Begründung ab, die gemachten Angaben passten nicht zum festgestellten Alter. Es sei von Volljährigkeit auszugehen.
Mit Schreiben vom 8. April 2016 erhob der Antragssteller gegen die Feststellung seines Alters Widerspruch. Er habe eine Geburtsurkunde mit dem Geburtsjahr 2000 vorgelegt, welche nicht anerkannt worden sei. Außerdem habe er weitere in arabischer Schrift verfasste Unterlagen aus Syrien vorgelegt, die das Geburtsdatum bestätigen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 wies der Antragsgegner den Widerspruch des Antragsstellers zurück. Ausweispapiere im herkömmlichen Sinne hätten nicht vorgelegen.
Am 30. Juni 2016 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Ansbach Klage gegen den Widerspruchsbescheid erhoben. Mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2016 stellte er darüber hinaus einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn in Obhut zu nehmen.
Mit Beschluss vom 3. November 2016 lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach die Anträge als unbegründet ab, Az. AN 6 E 16.2044. Der Antragsgegner habe das Alter des Antragsstellers nach Durchführung einer qualifizierten Inaugenscheinnahme und unter Berücksichtigung vorgelegter Dokumente und der Selbstauskunft des Antragsstellers rechtsfehlerfrei auf 22 Jahre geschätzt.
Der Antragssteller legte daraufhin die vorliegende Beschwerde ein. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stehe seine Volljährigkeit nicht fest. Der Antragsgegner verteidigte die Entscheidung des Verwaltungsgerichts.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hält die zulässige Beschwerde für begründet.
Das Jugendamt habe bis zur Feststellung des tatsächlichen Alters eine vorläufige Inobhutnahme anzuordnen, wenn Minderjährigkeit nicht ausgeschlossen werden könne.
Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit sei seit dem 1. November 2015 in § 42f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert. Wenn hinsichtlich des Alters erhebliche Zweifel bestünden, sei eine Alterseinschätzung und –feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen. In Zweifelsfällen müsse eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung veranlasst werden. Hierbei handel es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt kein Ermessen zukomme.
Durch dieses Verfahren werde dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Ausweispapiere nach Europa kommen und sonst keine Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren.
Nach Ansicht des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs kann der Einschätzung von Mitarbeitern des Jugendamtes erst recht kein weitgehender Erkenntniswert beigemessen werden, wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungen Schwankungen unterliegen.
Aber nicht erst das Ergebnis der Altersfeststellung begründe den Beginn einer vorläufigen Inobhutnahme, vielmehr sei die Alterseinschätzung eine Aufgabe während der vorläufigen Inobhutnahme.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ist der Auffassung, dass Zweifel hinsichtlich des Alters bereits dann bestehen, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden könne, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig. Der Antragssteller gehöre zum Kreise der beschriebenen unbegleitet minderjährigen Flüchtlinge und sei deshalb nach § 42a SGB VIII vorläufig in Obhut zu nehmen.
Sie finden den Beschluss unter
http://www.gesetze-bayern.de.
Kontaktverbot für Vereinsvorstand
Verwaltungsgerichtshof München, Beschluss vom 1. Februar 2016
Az. 10 CS 15.2689
Der Antragsteller ist alleiniges Vorstandsmitglied eines Vereins, der Sport- und Ferienreisen für Kinder und Jugendliche veranstaltet und Sportunterricht anbietet. Die Feriencamps werden dabei in einem dem Antragsteller gehörenden Haus am Plattensee in Ungarn für Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 12 und 15 Jahren durchgeführt. Aufgrund des Verdachts fortgesetzter sexueller Übergriffe während eines Freizeitcamps in Ungarn wurde gegen den Antragsteller ein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern nach § 176 StGB geführt. Die Antragsgegnerin verfügte mittels Bescheid ein Kontaktverbot, mit dem Antragsteller bis zum Abschluss des Strafverfahrens wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern untersagt wird, Kontakt mit Kindern aufzunehmen. Insbesondere dürfe er sich nicht mit ihnen ohne Anwesenheit der Erziehungsberechtigten in seiner Wohnung, in anderen Räumen, Fahrzeugen, Schwimmbädern, Kinos oder an abgelegenen Orten aufhalten. Insbesondere sei ihm die Durchführung und Planung von Sport- und Trainingsveranstaltungen und von Unternehmungen aller Art, an denen Kinder teilnehmen, untersagt.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller.
Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, dass die maßgebliche Rechtsgrundlage vorliegend § 35 Gewerbeordnung als lex specialis sei. Es bestehe keine hinreichende Gefahrenprognose für das Kontaktverbot, da keine fundierte Wiederholungsgefahr bestehe, da es keine allgemeinen Erfahrungssätze gibt, wonach auf solche Vorfälle weitere folgen würden.
Der Bayrische Verwaltungsgerichtshof teilt diese Einschätzung nicht, sondern führt aus, dass die Anordnung rechtmäßig ergangen sei. Insbesondere können auch solche Anordnungen, die die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG tangieren auf die Generalklausel gemäß Artikel 7 Abs. 2 Nr. 1 und 3 des bayrischen Gesetzes über das Landesstrafrecht und das Verordnungsrecht auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gestützt werden. Danach können die Sicherheitsbehörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben für den Einzelfall Anordnungen nur treffen, um rechtswidrige Taten, die den Tatbestand eines Strafgesetzes oder einer Ordnungswidrigkeit verwirklichen, oder verfassungsfeindliche Handlungen zu verhüten oder zu unterbinden oder um Gefahren abzuwehren oder Störungen zu beseitigen, die Leben, Gesundheit oder die Freiheit von Menschen oder Sachwerten, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten erscheint, bedrohen oder verletzen.
Vorliegend überwiege der Schutz der körperlichen und seelischen Unversehrtheit von Kindern nach Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG. Das Gericht lässt im Ergebnis offen, ob es sich um eine Teilgewerbeuntersagung handele und damit § 35 GewO einschlägig wäre. Denn selbst wenn dies anzunehmen sei, sei die Anordnung weiterhin rechtmäßig, da der Schutz der Kinder überwiege. Auch bestehe, anders als das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, hinreichend Wiederholungsgefahr. Insbesondere dürfen angesichts der besonders schwerwiegenden und langfristigen Folgen für kindliche Missbrauchsopfer keine zu hohen Anforderungen an die Wiederholungsgefahr gestellt werden. Vorliegend reiche es aus, dass der Antragsteller die Fahrten selbst plane und durchführe und keiner Kontrollinstanz unterliege, sowie, dass mehrere sexuelle Übergriffe angezeigt wurden und er engen Kontakt zu den missbrauchten Kindern auch nach Ende der Fahrten pflegte.
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