Elternrecht als Anspruch auf behördliches Einschreiten
Verwaltungsgerichtshof München, Beschluss vom 3. Dezember 2024
Az.: 12 CE 24.1793
Der nichtsorgeberechtigte Beschwerdeführer legt Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg ein. Er hatte auf behördliches Einschreiten wegen erheblicher Kindeswohlgefährdung durch den Großvater des Kindes geklagt.
Der Verwaltungsgerichtshof stellt fest, dass sich die Antragsberechtigung des Beschwerdeführers aus § 42 Abs. 2 S. 1 VwGO analog ergibt. Eine mögliche eigene Rechtsverletzung des Beschwerdeführers ergebe sich aus dem in Art.6 Abs. 2 S. 1 GG garantierten Elternrecht. Dieses könne dem Antragsteller im Einzelfall einen Anspruch auf behördliches Einschreiten zum Zwecke der Prüfung des Vorliegens einer Kindeswohlgefährdung vermitteln. Träger des Elternrechts seien nicht die Eltern als Gemeinschaft, sondern jeder Elternteil für sich. Aus dem Elternrecht könne sich angesichts seines dienenden Charakters und dem Kindeswohl als oberster Richtschnur im Einzelfall ein einklagbares Recht des nichtsorgeberechtigten Elternteils auf behördliches Einschreiten ergeben, wenn hinreichende Anhaltspunkte für eine schwerwiegende Kindeswohlgefährdung vorliegen.
Die Beschwerde ist als unbegründet zurückgewiesen worden, da der Antragsteller keinen Anordnungsgrund glaubhaft machen konnte. Der aktuelle Stand der familiengerichtlichen, jugendhilferechtlichen und strafrechtlichen Verfahren spreche gegen eine konkrete Gefährdung des Kindeswohls.
Elternrecht auf behördliches Einschreiten
Kein Akteneinsichtsrecht nach § 25 SGB X im Kinderschutzverfahren nach § 8a SGB VIII
Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 29. November 2024
Az.: 25 K 3990/23
Der Kläger und seine Ehefrau leben getrennt und sind Eltern des gemeinsamen Sohnes H.. Dieser erhielt aufgrund einer ADHS-Diagnose Unterstützung durch das Jugendamt der Beklagten in Form von zunächst gewährter aufsuchender Familientherapie und anschließend in Form einer Familienhilfe sowie einer Erziehungsbeistandschaft. Im Rahmen der aufsuchenden Familientherapie wurde am 13. Oktober 2022 der Verdacht der Kindeswohlgefährdung nach § 8a SGB VIII an das Jugendamt der Beklagten gemeldet. Am 26. Oktober 2022 stellte das Jugendamt gemeinsam mit den Eltern ein Schutzkonzept auf, wonach der Kläger temporär den gemeinsamen Haushalt verlassen musste. Am 22. Dezember 2022 schaltete das beklagte Jugendamt im Rahmen des Verfahrens nach § 8a SGB VIII das zuständige Familiengericht ein, im Ergebnis wurde eine Elternvereinbarung zur Sicherstellung des Kindeswohls getroffen.
Am 28. Dezember 2022 beantragte der Kläger Akteneinsicht in die ihn und seinen Sohn betreffenden Jugendamtsakten nach § 25 SGB X und dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes. Die Akteneinsicht wurde gewährt, indem die Beklagte dem Kläger verschiedene Unterlagen aus der Akte per E-Mail übersandte. Der Kläger monierte diesbezüglich, dass aus seiner Sicht einige Berichte fehlten. Einen weiterreichenden Antrag auf Akteneinsicht vom 12. Januar 2023 lehnte das Jugendamt der Beklagten mit Hinweis auf in der Akte befindliche anvertraute Daten nach § 65 SGB VIII ab. Hiergegen wandte sich Kläger mit seiner Klage.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen.
Der Kläger kann nach Auffassung des Gerichts einen Akteneinsichtsanspruch nicht auf § 25 SGB X stützen. Die von der Beklagten eingeleiteten Kinderschutzverfahren nach § 8a SGB VIII, verbunden mit der Einleitung eines familiengerichtlichen Verfahrens, seien keine Verwaltungsverfahren im Sinne des § 8 SGB X. Insbesondere handele es sich bei der Gefährdungsmitteilung gemäß § 8a SGB VIII nicht um einen Verwaltungsakt. Einem Akteneinsichtsanspruch stehe auch § 25 Abs. 3 SGB X in Verbindung mit § 65 SGB VIII entgegen, da es sich um anvertraute Daten handelt und keine Einwilligung vorliegt. Das Gericht führt zudem aus, dass auch kein Anspruch nach dem IFG NRW bestehe, da das besondere Weitergabeverbot des § 65 SGB VIII als spezialgesetzliche Norm Auskunfts- oder Akteneinsichtsansprüche umfassend versage.
Altersfeststellungsverfahren im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme
Verwaltungsgericht München, Beschluss vom 24. Oktober 2024
Az. M 18 S 24.5814
Bei dem aus Afghanistan stammenden Antragsteller wurde bei der im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme erfolgten Inaugenscheinnahme aufgrund seines äußeren Erscheinungsbildes und seines Verhaltens festgestellt, dass er offensichtlich volljährig ist. Mit Bescheid vom selben Tage beendete die Antragsgegnerin daraufhin die vorläufige Inobhutnahme.
Gegen die Entscheidung der Antragsgegnerin erhob der Antragsteller Klage vor dem Verwaltungsgericht München und beantragte gleichzeitig, die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist zulässig und begründet.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes kommt der Klage gegen die Entscheidung der Antragsgegnerin gemäß § 42f Abs. 3 Satz 1 SGB VIII keine aufschiebende Wirkung zu. Statthafter Rechtsbehelf sei daher im Rahmen des vorläufigen Rechtschutzes ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO.
Der Antrag ist auch begründet. Die im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vom Gericht vorzunehmende Interessenabwägung falle im vorliegenden Fall zugunsten des Antragstellers aus. Die Antragsgegnerin habe verkannt, dass ein Zweifelsfall im Sinne des § 42f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorliege, der zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung zur Altersfeststellung verpflichtet habe. Ob ein solcher Zweifelsfall vorliege, unterliege als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum des Jugendamtes umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle.
Da eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass der Antragsteller bereits volljährig ist, nicht bestehe, sei die Beendigung der vorläufigen Inobhutnahme zu Unrecht erfolgt.
Altersfeststellung und vorläufige Inobhutnahme
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