Pressemeldung
Newsletter "Rechtsfragen der Jugendhilfe"
Ausgabe Januar 2025
Inhalt dieser Ausgabe:
1. Aus der Gesetzgebung des Bundes und des Landes Nordrhein-Westfalen
Bundesrat zum Entwurf des Gesetzes zur Ausgestaltung der Inklusiven Kinder- und Jugendhilfe (Kinder- und Jugendhilfeinklusionsgesetz – IKJHG)
In der Sitzung am 20. Dezember 2024 hat der Bundesrat zu dem Entwurf des IKJHG Stellung bezogen. Der Bundesrat unterstützt grundsätzlich das Gesamtvorhaben eines inklusiven SGB VIII mit dem Ziel, künftig Leistungen der Eingliederungshilfe für alle Kinder und Jugendlichen mit Behinderungen „aus einer Hand“ zu gewähren. Die dafür beabsichtigte Zusammenführung der Zuständigkeit unter dem Dach der Kinder- und Jugendhilfe sei allerdings ein vielschichtiger Prozess, der die Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe und der Eingliederungshilfe grundlegend verändern werde. Der vorliegende Gesetzentwurf beinhalte für die weitere Realisierung der dritten Umsetzungsstufe der „Großen Lösung“ grundsätzlich auch eine gute Basis. Die die Stellungnahme des Bundesrates enthält zu mehreren Punkten Änderungsvorschläge.
Änderung der nordrhein-westfälischen Ausführungsgesetze zum SGB VIII
Nach der 1. Lesung ist das Gesetz zur Änderung der nordrhein-westfälischen Ausführungsgesetze zum SGB VIII federführend an den Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend überwiesen worden. Der Gesetzentwurf sieht die landesrechtliche Umsetzung und Konkretisierung des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes in den nordrhein-westfälischen Ausführungsgesetzen vor.
Am 2. Dezember 2024 fand im Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend eine Anhörung von Sachverständigen zum Gesetzentwurf statt.
Änderung des Landeskinderschutzgesetzes NRW
Am 6. Februar 2025 findet im Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend des nordrhein-westfälischen Landtags eine Sachverständigenanhörung zum Gesetzentwurf zur Änderung des Landeskinderschutzgesetzes statt. Geplant ist die Installierung einer/eines Beauftragten für Kinderschutz sowie einer Geschäftsstelle, welche/r zunächst für die Dauer von fünf Jahren die flächendeckende Etablierung der Themen Kinderschutz und Kinderrechte in NRW voranbringen und sich in die bestehenden Kinderschutz- und Beschwerdestrukturen einfügen soll. Zu den Aufgaben sollen unter anderem die Weitervermittlung der Anliegen von Kindern und Jugendlichen, ihren Interessenvertretungen sowie von Betroffenen jeder Form von Gewalt im Kindes- und Jugendalter und deren Angehörige an geeignete Unterstützungssysteme gehören. Weiterhin sollen Maßnahmen und Vorhaben der Landesregierung und des Landtags in den Bereichen Kinderschutz und Kinderrechte begleitet werden Der oder die Beauftragte ist nach dem Gesetzentwurf verpflichtet, einmal in der Legislaturperiode einen Bericht zur Lage des Kinderschutzes und der Wahrung der Kinderrechte vorzulegen.
2. Rechtsprechung
Elternrecht als Anspruch auf behördliches Einschreiten
Verwaltungsgerichtshof München, Beschluss vom 3. Dezember 2024
Az.: 12 CE 24.1793
Der nichtsorgeberechtigte Beschwerdeführer legt Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg ein. Er hatte auf behördliches Einschreiten wegen erheblicher Kindeswohlgefährdung durch den Großvater des Kindes geklagt.
Der Verwaltungsgerichtshof stellt fest, dass sich die Antragsberechtigung des Beschwerdeführers aus § 42 Abs. 2 S. 1 VwGO analog ergibt. Eine mögliche eigene Rechtsverletzung des Beschwerdeführers ergebe sich aus dem in Art.6 Abs. 2 S. 1 GG garantierten Elternrecht. Dieses könne dem Antragsteller im Einzelfall einen Anspruch auf behördliches Einschreiten zum Zwecke der Prüfung des Vorliegens einer Kindeswohlgefährdung vermitteln. Träger des Elternrechts seien nicht die Eltern als Gemeinschaft, sondern jeder Elternteil für sich. Aus dem Elternrecht könne sich angesichts seines dienenden Charakters und dem Kindeswohl als oberster Richtschnur im Einzelfall ein einklagbares Recht des nichtsorgeberechtigten Elternteils auf behördliches Einschreiten ergeben, wenn hinreichende Anhaltspunkte für eine schwerwiegende Kindeswohlgefährdung vorliegen.
Die Beschwerde ist als unbegründet zurückgewiesen worden, da der Antragsteller keinen Anordnungsgrund glaubhaft machen konnte. Der aktuelle Stand der familiengerichtlichen, jugendhilferechtlichen und strafrechtlichen Verfahren spreche gegen eine konkrete Gefährdung des Kindeswohls.
Elternrecht auf behördliches Einschreiten
Kein Akteneinsichtsrecht nach § 25 SGB X im Kinderschutzverfahren nach § 8a SGB VIII
Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 29. November 2024
Az.: 25 K 3990/23
Der Kläger und seine Ehefrau leben getrennt und sind Eltern des gemeinsamen Sohnes H.. Dieser erhielt aufgrund einer ADHS-Diagnose Unterstützung durch das Jugendamt der Beklagten in Form von zunächst gewährter aufsuchender Familientherapie und anschließend in Form einer Familienhilfe sowie einer Erziehungsbeistandschaft. Im Rahmen der aufsuchenden Familientherapie wurde am 13. Oktober 2022 der Verdacht der Kindeswohlgefährdung nach § 8a SGB VIII an das Jugendamt der Beklagten gemeldet. Am 26. Oktober 2022 stellte das Jugendamt gemeinsam mit den Eltern ein Schutzkonzept auf, wonach der Kläger temporär den gemeinsamen Haushalt verlassen musste. Am 22. Dezember 2022 schaltete das beklagte Jugendamt im Rahmen des Verfahrens nach § 8a SGB VIII das zuständige Familiengericht ein, im Ergebnis wurde eine Elternvereinbarung zur Sicherstellung des Kindeswohls getroffen.
Am 28. Dezember 2022 beantragte der Kläger Akteneinsicht in die ihn und seinen Sohn betreffenden Jugendamtsakten nach § 25 SGB X und dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes. Die Akteneinsicht wurde gewährt, indem die Beklagte dem Kläger verschiedene Unterlagen aus der Akte per E-Mail übersandte. Der Kläger monierte diesbezüglich, dass aus seiner Sicht einige Berichte fehlten. Einen weiterreichenden Antrag auf Akteneinsicht vom 12. Januar 2023 lehnte das Jugendamt der Beklagten mit Hinweis auf in der Akte befindliche anvertraute Daten nach § 65 SGB VIII ab. Hiergegen wandte sich Kläger mit seiner Klage.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen.
Der Kläger kann nach Auffassung des Gerichts einen Akteneinsichtsanspruch nicht auf § 25 SGB X stützen. Die von der Beklagten eingeleiteten Kinderschutzverfahren nach § 8a SGB VIII, verbunden mit der Einleitung eines familiengerichtlichen Verfahrens, seien keine Verwaltungsverfahren im Sinne des § 8 SGB X. Insbesondere handele es sich bei der Gefährdungsmitteilung gemäß § 8a SGB VIII nicht um einen Verwaltungsakt. Einem Akteneinsichtsanspruch stehe auch § 25 Abs. 3 SGB X in Verbindung mit § 65 SGB VIII entgegen, da es sich um anvertraute Daten handelt und keine Einwilligung vorliegt. Das Gericht führt zudem aus, dass auch kein Anspruch nach dem IFG NRW bestehe, da das besondere Weitergabeverbot des § 65 SGB VIII als spezialgesetzliche Norm Auskunfts- oder Akteneinsichtsansprüche umfassend versage.
Altersfeststellungsverfahren im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme
Verwaltungsgericht München, Beschluss vom 24. Oktober 2024
Az. M 18 S 24.5814
Bei dem aus Afghanistan stammenden Antragsteller wurde bei der im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme erfolgten Inaugenscheinnahme aufgrund seines äußeren Erscheinungsbildes und seines Verhaltens festgestellt, dass er offensichtlich volljährig ist. Mit Bescheid vom selben Tage beendete die Antragsgegnerin daraufhin die vorläufige Inobhutnahme.
Gegen die Entscheidung der Antragsgegnerin erhob der Antragsteller Klage vor dem Verwaltungsgericht München und beantragte gleichzeitig, die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist zulässig und begründet.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes kommt der Klage gegen die Entscheidung der Antragsgegnerin gemäß § 42f Abs. 3 Satz 1 SGB VIII keine aufschiebende Wirkung zu. Statthafter Rechtsbehelf sei daher im Rahmen des vorläufigen Rechtschutzes ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO.
Der Antrag ist auch begründet. Die im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vom Gericht vorzunehmende Interessenabwägung falle im vorliegenden Fall zugunsten des Antragstellers aus. Die Antragsgegnerin habe verkannt, dass ein Zweifelsfall im Sinne des § 42f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorliege, der zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung zur Altersfeststellung verpflichtet habe. Ob ein solcher Zweifelsfall vorliege, unterliege als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum des Jugendamtes umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle.
Da eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass der Antragsteller bereits volljährig ist, nicht bestehe, sei die Beendigung der vorläufigen Inobhutnahme zu Unrecht erfolgt.
3. Publikationen
Landeskinderschutzgesetz kindgerecht übersetzt
Im vom Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration geförderten Projekt „Dein gutes Recht: Das Landeskinderschutzgesetz NRW“ des Kinderschutzbundes NRW haben insgesamt etwa 60 Vorschulkinder aus drei Kitas in Ideen-Werkstätten daran gearbeitet, das Landeskinderschutzgesetz in kindgerechte Sprache zu übersetzen. Die Kinder haben die Ergebnisse Ministerin Paul am 18. November 2024 in Form von Bildkarten überreicht. Mit Hilfe dieser Bildkarten können pädagogische Fachkräfte nun mit Kindern über das Landeskinderschutzgesetz NRW ins Gespräch kommen.
Landeskinderschutzgesetz kindgerecht
Merkblatt Kidfluencing
Die Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz Nordrhein-Westfalen e.V. (AJS NRW) hat ein Merkblatt zur rechtlichen Auseinandersetzung mit dem Geschäftsmodell von Kindern als Influencerinnen und Influencer herausgegeben.
Aus rechtlicher Sicht stellen sich bei diesem Themenkomplex zahlreiche Fragen. Das Merkblatt setzt sich damit auseinander, ob Minderjährigen-Influencing in Bezug auf Jugendarbeitsschutzgesetz und Jugendschutzgesetz erlaubt ist. Weiterhin wird thematisiert, wer Kind und wer Jugendlicher im Sinne des Jugendarbeitsschutzgesetzes ist und für welche Tätigkeiten es Ausnahmen vom Jugendarbeitsschutzgesetz gibt. Angesprochen wird auch die grundsätzliche Rolle der Eltern und die Rolle des Jugendamtes für den Jugendarbeitsschutz. Weiterhin wird die Möglichkeit des selbständigen rechtlichen Handelns der Kinderinfluencerinnen und Kinderinfluencer besprochen. Das Merkblatt schließt mit einer tabellarischen Übersicht über die Altersgrenzen im Jugendschutz.
Aufnahme von Kinderrechten in die Gemeinde- und Landkreisordnungen
Das Deutsche Kinderhilfswerk e.V. hat ein Rechtsgutachten zum Thema „Die Aufnahme von Kinderrechten in die Gemeinde- und Landkreisordnungen“ beauftragt und veröffentlicht. Im Rahmen des Gutachtens wird beleuchtet, ob und wieweit die Aufnahme von Kinderrechten in den Kommunalverfassungen für die Umsetzung der Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK) zielführend ist und wie solche Kinderrechte konkret ausgestaltet werden können. Es erfolgt eine Diskussion zur generellen Frage der Aufnahme von Kinderrechten auf nationaler Ebene und deren Zulässigkeit.
Schwerpunkte des Rechtsgutachtens bilden die Kapitel zu den Kinderrechten nach der UN-KRK und der Abschnitt zur Umsetzung der Vorgaben durch die Aufnahme in die Kommunalverfassungen. Abschließend werden die Auswirkungen für die einzelnen Fachbereiche aufgezeigt, die Rolle und Aufgaben der Kommunalaufsicht und auch die Möglichkeit des kommunalaufsichtsrechtlichen Einschreitens bei Nichteinhaltung der Regelungen dargestellt.
4. Aktuelles
Erhöhung von Kindergeld und Kinderzuschlag
Ab Januar 2025 steigt das Kindergeld einheitlich für jedes Kind um 5 Euro auf 255 Euro pro Monat. Die Beiträge werden automatisch von der Familienkasse angepasst. Auch steigt ab diesem Zeitpunkt der Sofortzuschlag um 5 Euro auf 25 Euro pro Monat, wodurch sich der monatliche Höchstbetrag des Kinderzuschlags auf 297 Euro pro Kind erhöht.
Ob ein Anspruch auf den Kinderzuschlag besteht, ergibt sich in wenigen Schritten aus dem KiZ-Lotsen unter www.kinderzuschlag.de.
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