Verletzung des Elterngrundrechts bei langjährigem Umgangsausschluss
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 10. Juni 2025
Az. 1 BvR 1931/25
Der Beschwerdeführer ist Vater einer im Juni 2012 geborenen Tochter und eines im März 2015 geborenen Sohnes. Nach der Trennung der Eltern im Februar 2021 übertrug das damals zuständige Familiengericht im Wege einer einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Gesundheitssorge auf die Mutter.
Im Ausgangsverfahren vor dem Amtsgericht – Familiengericht – beantragte der Beschwerdeführer die Gewährung eines Umgangs mit seinen Kindern an jedem zweiten Wochenende. Im Verfahren wiederholten die Tochter und die Mutter ihre im Verfahren über die einstweilige Anordnung getroffenen Aussagen, wonach der Beschwerdeführer in der Zeit des Zusammenlebens sowohl die Tochter, als auch die Mutter und den jüngeren Sohn geschlagen und diese häufig angeschrien habe.
Das Familiengericht schloss den Umgang des Beschwerdeführers mit beiden Kindern jeweils bis zu deren 18. Lebensjahr zur Abwehr einer Kindeswohlgefährdung nach § 1684 Absatz 4 Satz 2 BGB aus.
Den Ausführungen folgte das Oberlandesgericht. Bei einer Fortführung der Umgänge mit dem Beschwerdeführer drohe eine Traumatisierung der Kinder aufgrund der bereits erlebten oder Angst vor noch zu erwartenden Gewalterfahrungen und Todesdrohungen. Um eine Erfahrung der Missachtung der eigenen Persönlichkeit durch einen aufgezwungenen Umgang zu vermeiden sei zudem der Wille der Tochter, ihren Vater nicht sehen zu wollen, zu beachten. Folglich sei der Umgang dauerhaft auszuschließen, da immer wieder neue befristete Umgangsreglungen samt gerichtlicher Verfahren die Kinder noch weiter belasten würden.
Hiergegen wendete sich der Beschwerdeführer mit seiner Verfassungsbeschwerde.
In seiner Entscheidung stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass der Beschluss des OLG den Beschwerdeführer in seinem Elterngrundrecht aus Art. 6 II S. 1 GG verletzt.
Um einen Eingriff in dieses Grundrecht bei einem lang andauernden Umgangsausschluss zu rechtfertigen, müsse das zuständige Gericht die dem Kind drohenden Schäden ihrer Art, Schwere und Eintrittswahrscheinlichkeit nach konkret benennen. Diesen strengen Begründungsanforderungen sei das OLG nicht gerecht geworden. Es sei nicht erkennbar, auf welche Erkenntnisgrundlage es die angenommene drohende Traumatisierung der Kinder stütze. Es habe zwar die stattgefundene Gewalt des Beschwerdeführers gegenüber der Mutter und den Kindern festgestellt, nicht aber ausgeführt, warum dies die Annahme einer Traumatisierung rechtfertige. Eine Begutachtung oder Stellungnahme des Jugendamtes oder der Verfahrensbeiständin sei hierzu nicht erfolgt. Richtig sei zwar, dass auch der Wille der Kinder zu beachten sei, außer es sei eine offensichtlich durch einen Elternteil manipulierte Äußerung des Kindes erkennbar. Aus diesem Grund müsse das zuständige Gericht aber die Ursachen für diese ablehnende Haltung ermitteln und hinterfragen, was nicht geschehen sei. Dies gelte vor allem für den jüngeren Sohn, der sich kaum noch an den Beschwerdeführer erinnern könne.
Schließlich sei auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht ausreichend berücksichtigt worden. Das Oberlandesgericht habe nicht ausreichend erläutert, warum ein begleiteter Umgang oder zumindest ein befristeter Umgangsausschluss als milderes Mittel nicht in Betracht kommen. Da es sich um das erste Umgangsverfahren der Beteiligten handelt, habe es insbesondere nicht hinreichend festgestellt, warum zu einem späteren Zeitpunkt erneut stattfindende gerichtliche Umgangsverfahren zu einer unzumutbaren Belastung der Kinder führen würden.
Beschleunigungsgebot in Kindschaftssachen bei unbekanntem Aufenthalt des Kindes im Ausland
Oberlandesgericht Schleswig, Beschluss vom 29. November 2024
Az. 15 WF 249/24:
In einem seit dem 11. August 2023 laufenden Sorgerechtsstreit begehrt der Vater die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf sich. Bereits am 15. Juli 2023 hatten die Mutter und das Kind Deutschland verlassen. Ihr derzeitiger Aufenthaltsort ist unbekannt. Zu den vom Familiengericht festgesetzten Anhörungsterminen erschienen sie nicht. Aus diesem Grund teilte das Familiengericht aufgrund einer Verfügung vom 17. Oktober 2024 mit, dass es derzeit keine Möglichkeit sehe, das Verfahren zu fördern.
Hiergegen erhob der Vater eine Beschleunigungsrüge, die das Gericht zurückwies und damit begründete, dass eine Kindesanhörung nach § 159 I FamFG nicht durchzuführen sei. Die folgende Beschwerde des Vaters zum Oberlandesgericht richtet sich hiergegen.
Das Oberlandesgericht hat auf die Beschwerde festgestellt, dass das bisherige Verfahren des Familiengerichts nicht dem Beschleunigungsgebot des § 155 I FamFG gerecht wird. Dieses Gebot sei auch auf Sorgerechtsstreitigkeiten anzuwenden, da auch diese den Aufenthalt des Kindes beträfen. Das Familiengericht habe zu Unrecht eine Fortsetzung des Verfahrens verweigert. Der geltende Amtsermittlungsgrundsatz verpflichte es auch, nach Ausschöpfung aller möglichen Ermittlungen eine Sachentscheidung zu treffen. Der Verfahrensaufschub komme einer Aussetzung des Verfahrens gleich, obwohl hierfür die Voraussetzungen des § 21 I FamFG nicht vorlägen. Es sei nicht zu erwarten, dass sich zu einem späteren Zeitpunkt bessere Erkenntnismöglichkeiten ergäben, da mit einer Rückkehr der Mutter und dem Kind nach Deutschland nicht gerechnet werden könne. Von einer Kindesanhörung könne im vorliegenden Fall gem. § 159 II Nr. 1 FamFG abgesehen werden, da ein schwerwiegender Grund hierfür vorläge, was der Fall sein könne, wenn aufgrund tatsächlicher Verhältnisse vor Ort auf absehbare Zeit eine Durchführung eines Anhörungstermins nicht möglich sei.
Ausschlussfrist nach § 111 SGB X
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 23. Juli 2025
Az. 12 BV 24.772
Nach seiner Einreise nach Deutschland wurde ein Minderjähriger durch die Klägerin vorläufig in Obhut genommen. Aufgrund der Zuweisung nach § 42b SGB VIII erfolgte die Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII durch ein Jugendamt in einem anderen Bundesland, wodurch die vorläufige Inobhutnahme durch die Klägerin innerhalb eines Monats beendet wurde.
Mehr als ein Jahr nach Beendigung der vorläufigen Inobhutnahme beantragte die Klägerin beim Beklagten die Erstattung der Kosten gemäß § 89d Absatz 1 SGB VIII. Der Beklagte lehnte die Erstattung der Kosten unter Verweis auf den Ablauf der Ausschlussfrist gemäß § 111 Satz 1 SGB X ab.
Gegen die Entscheidung, die vor dem Verwaltungsgericht München erfolglos angegriffen wurde, legte die Klägerin Berufung vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ein.
Nach Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wurde der Anspruch auf Kostenerstattung nach § 89d Abs. 1 SGB VIII zu Recht abgelehnt. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass die von der Klägerin nach § 42a SGB VIII erbrachte vorläufige Inobhutnahme und die anschließende, durch das Zuweisungsjugendamt nach § 42 SGB VIII erbrachte Inobhutnahme nicht als einheitliche Leistung im Sinne des § 111 Satz 1 SGB X zu betrachten sind. Stattdessen handele es sich um verschiedene aufeinander aufbauende Maßnahmen. Ein Wechsel beim zuständigen Träger habe eine Zäsur zur Folge, die den Erstattungsanspruch begrenze, die Leistung im jugendhilferechtlichen Sinne beende und zugleich den Beginn der Ausschlussfrist markiere.
Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs
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