Die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte in der Zeit des Nationalsozialismus stand lange nicht auf der Agenda der psychiatrischen Fachgesellschaft in Deutschland. Dabei gehört diese Zeit zu den dunkelsten Kapiteln in der Geschichte der deutschen Medizin“, erläutert Prof. Dr. Frank Schneider, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) und Projektleiter der Ausstellung.
Bis zu 400.000 Menschen wurden ab 1934 gegen ihren Willen sterilisiert, mehr als 200.000 in den damaligen Heil- und Pflegeanstalten ermordet. Dies geschah inmitten der deutschen Gesellschaft. Bei der Selektion der Patientinnen und Patienten stand der vermeintliche „Wert“ des Menschen im Vordergrund. Psychiater, Neurologen, Kinder- und andere Fachärzte, Pflegekräfte und Verwaltungsfachleute urteilten nach Maßgabe von „Heilbarkeit“, „Bildungsfähigkeit“ oder „Arbeitsfähigkeit“ über die ihnen Anvertrauten.
An die Opfer wollte nach 1945 für lange Zeit kaum jemand erinnern. Auch in vielen betroffenen Familien wurde ihre Geschichte verschwiegen. Manche Täter und Tatbeteiligte setzten hingegen ihre Karrieren im Nachkriegsdeutschland nahtlos fort.
Die Wanderausstellung „erfasst, verfolgt, vernichtet. Kranke und behinderte Menschen im Nationalsozialismus“ richtet sich gezielt an ein breites Publikum. Sie ist durchzogen von der Frage nach dem Wert des Lebens und beschäftigt sich mit den gedanklichen und institutionellen Voraussetzungen der Morde, sie fasst das Geschehen von Ausgrenzung und Zwangssterilisationen bis hin zur Massenvernichtung zusammen und beschäftigt sich exemplarisch mit Opfern, Täterinnen und Tätern, Tatbeteiligten sowie Opponenten.
Den Schlusspunkt der Ausstellung bildet die Gegenwart. In 15 Videointerviews reflektieren Angehörige von Opfern, Patientinnen und Patienten, Ärzte und Pflegepersonal die damaligen Geschehnisse und deren Bedeutung für sie persönlich.
Die Ausstellung wird umrahmt von einem umfangreichen Begleitprogramm mit Vorträgen und Führungen, das der LVR in Kooperation mit der Stadt Köln und dem Landesbehindertenrat NRW organisiert hat. Dazu gehören beispielsweise Besichtigungen des Denkmals der „Grauen Busse“, mit dem der LVR an den Massenmord an fast 10.000 Psychiatriepatientinnen und –patienten während des Nationalsozialismus erinnert.
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