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Pressemeldung

Unser Engagement ist geprägt von Beziehungen

Andreas Jung, LVR-Fachbereichsleiter Jugend seit nunmehr gut einem Jahr, äußert sich über die Rolle des Landesjugendamts Rheinland beim Ausbau von Kommunalen Präventionsketten und nimmt dabei die Beziehungsebene in den Blick.

Herr Jung, mit dem Aufruf „kinderstark – NRW schafft Chancen“ fördert das Land NRW seit 2020 die Kommunen beim Auf- und Ausbau von Kommunalen Präventionsketten und bei der Armutsprävention. In welcher Rolle sehen Sie hier das Landesjugendamt?

Mit seinen Kernkompetenzen Fachberatung und Fortbildung sehe ich das LVR-Landesjugendamt für die Begleitung der Jugendämter bei „kinderstark“ sehr gut aufgestellt. Wir sollten uns mit unserer Expertise als Impulsgeber*innen verstehen, die dabei unterstützen, nachhaltige Strukturen für das Landesprogramm zu schaffen. Für eine gelingende Hilfestellung und Zusammenarbeit mit den Jugendämtern braucht es aber auch, wie im gesamten Sozialen Bereich, Menschen, die mit Herzblut und Leidenschaft dabei sind. Beim Landesjugendamt habe ich ebensolche, sehr motivierte Kolleg*innen kennengelernt. Mit dieser Haltung, der Identifikation mit Beruf und Aufgabenfeld, werden die Herausforderungen, die ja eher mehr als weniger werden, um ein vieles einfacher. Mit anderen Worten: Je besser die Unterstützung des Landesjugendamtes in der Fläche ist, desto besser kommen die Programme auch in der Fläche an.

Mit der angesprochenen Haltung tragen natürlich auch die Kolleg*innen in den Jugendämtern vor Ort zu gelingender Prävention bei. Ich möchte in diesem Zusammenhang ein Beispiel ausführen: Zu meiner Zeit als Jugendamtsleiter von Meckenheim haben wir in Zusammenarbeit mit der Diakonie als bereits im Stadtgebiet sehr aktiven freien Träger und dank einer Familienhebamme mit sehr zugewandter Persönlichkeit ein Konzept für Babybegrüßungsbesuche entwickelt, das sich großer Nachfrage erfreute – wir haben über 85 Prozent der Neugeborenen mit einem persönlichen Kontakt erreicht (Stand 2019). Das Beispiel zeigt, dass mit nur einem kleinen Baustein der Präventionskette und einer positiven persönlichen Begegnung viel erreicht werden kann.

Den Jugendämtern kommt beim Auf- und Ausbau von Kommunalen Präventionsketten eine zentrale Rolle zu. Nun kennen Sie deren Perspektive als ehemaliger Jugendamtsleiter noch sehr gut. Welche Unterstützung brauchen die Jugendämter?

Generell helfen den Jugendämtern Programme, die mit möglichst geringem formalen Aufwand unkompliziert und schnell in die Praxis umzusetzen sind. „Kinderstark“ trifft auf ganz unterschiedliche Jugendämter, die ihrerseits mit zunehmender Fluktuation und Fachkräftemangel zu kämpfen haben. Hinzu kamen jüngst die Flutkatastrophe, Corona und der Ukraine-Krieg. Die Fachberatung des Landesjugendamts kann dahingehend unterstützen, dass sie vor dem Hintergrund der vielen Herausforderungen und Aufgaben die unterschiedlichen Gestaltungsperspektiven und -möglichkeiten der Jugendämter berücksichtigt, damit eine passgenaue Umsetzung vor Ort erfolgen kann. Auch eine Ermöglichungshaltung bei der Antragsberatung ist wichtig, um allen interessierten Jugendämtern die Teilnahme am Landesprogramm zu erlauben. Hilfreich für die bunte Landschaft der Jugendämter sind außerdem die Beispiele Guter Praxis, die die LVR-Koordinationsstelle Kinderarmut kontinuierlich aufbereitet. Ein Jugendamt kann sich anschauen, wie andere vorgegangen sind und was es übertragen kann. Oder es kann bei gleichen Strukturen einen anderen Ansatz wählen und ihn mit Leben füllen.

Ein wichtiger Bestandteil der Kommunalen Präventionsketten sind die Schulen, als Lern- und Lebensort für Schüler*innen. Im Bereich der offenen Ganztagsgrundschulen im Primarbereich stehen, durch den Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz, zukünftig gravierende quantitative und qualitative Weiterentwicklungen an. Welchen Chancen sind damit für Kinder, Jugendliche und Familien verbunden?

Der Rechtsanspruch für Ganztagsbetreuung in der Grundschule ab dem Schuljahr 2026/27 war überfällig. Er unterstützt insbesondere Kinder aus belasteten Familien bei der Bildung und beim Übergang von der Kita zur Grundschule. In der Kita angelegte, präventive Schwerpunkte können in der Grundschule fortgesetzt werden. Außerdem fallen Kinder, deren Eltern weiter im Beruf bleiben wollen, in kein „Betreuungsloch“. Doch hier muss man unterscheiden: Was ist Eltern-, und was ist Kinderwille? Letzterer kommt bisher eher zur kurz. Im Idealfall sollte man zu dem Ergebnis kommen, dass ein Kind von sich aus äußert, es möchte gerne an den Lern-, Freizeit- und Betreuungsangeboten des Ganztags teilnehmen.

In der Umsetzung dürfte der Rechtsanspruch die Kommunen vor große Herausforderungen stellen. Es bedarf einer guten Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Systemen und handelnden Personen, um einheitliche Standards zu setzen und Qualität für die Kinder zu liefern. Aus Erfahrung wissen wir: Je länger die Beziehung der beteiligten Akteur*innen andauert und gegenseitiges Verständnis wächst, desto schneller und besser kann eine gemeinsame Aufgabe gestaltet werden. Ich komme auch hier noch einmal zurück auf die Haltung: Wenn Leidenschaft und Identifikation mit dem Auftrag der beteiligten Akteur*innen stark ausgeprägt sind, kann etwas richtig Gutes entstehen.

Herr Jung, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Das Interview führte Natalie Deissler-Hesse, LVR-Koordinationsstelle Kinderarmut

Die LVR-Koordinationsstelle Kinderarmut unterstützt Kommunen dabei, erfolgreiche Netzwerke gegen Kinderarmut zu gestalten. Hier finden Sie Beispiele für gelungene Projekte und Veranstaltungen.

Gute Praxis