Pressemeldung
Newsletter "Rechtsfragen der Jugendhilfe"
Ausgabe November 2024
Inhalt dieser Ausgabe:
1. Aus der Gesetzgebung des Bundes und des Landes Nordrhein-Westfalen
Weiterentwicklung des Kita-Qualitätsgesetzes
Der Bundestag hat am 10. Oktober 2024 den Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur periodengerechten Veranschlagung von Zinsausgaben im Rahmen der staatlichen Kreditaufnahme und eines Dritten Gesetzes zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung (KiQuTG)“ in der vom Haushaltsausschuss geänderten Fassung angenommen. Die Qualitätsentwicklung in den Ländern soll mit dem Ziel der Angleichung der Qualitätsniveaus und der Herstellung bundesweit gleicher Lebensverhältnisse für das Aufwachsen von Kindern weiter vorangetrieben werden. Hierzu sollen bestimmte Handlungsfelder verstärkt in den Fokus genommen werden, in denen bundesweite Standards angestrebt werden (§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 4 und 6 bis 8 KiQuTG). Die Handlungsfelder in § 2 Abs. 1 S.1 Nr. 5, 9 und 10 KiQuTG sowie Maßnahmen zur Entlastung der Eltern bei den Kostenbeiträgen sollen nach Ablauf einer Übergangsfrist nicht weiterverfolgt werden.
Der Bund beteiligt sich an den KiTa-Kosten der Länder mit jeweils 1,99 Milliarden Euro in den Jahren 2025 und 2026.
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 18.Oktober 2024 dem Gesetz zugestimmt, es soll am 1.Januar 2025 in Kraft treten.
Änderung der nordrhein-westfälischen Ausführungsgesetze zum SGB VIII
Nach der 1. Lesung am 4. Juli 2024 ist das Gesetz zur Änderung nordrhein-westfälischer Ausführungsgesetze zum SGB VIII an den Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend - federführend -, an den Ausschuss für Heimat und Kommunales, an die Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder sowie an den Ausschuss für Gleichstellung und Frauen überwiesen.
Der Gesetzentwurf sieht die landesrechtliche Umsetzung und Konkretisierung des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes in den nordrhein-westfälischen Ausführungsgesetzen vor.
Weiterhin werden zahlreiche Anpassungen vorgenommen, die Anforderungen aus der Praxis der Kinder- und Jugendhilfe oder den aktuellen Stand fachlicher Diskussionen aufgreifen oder ausschließlich redaktioneller Natur sind.
Der Gesetzentwurf sieht unter anderem die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für den weiteren Ausbau von Ombudsstellen, mehr Berücksichtigung von verschiedenen Familienkonstellationen im Pflegekinderwesen und eine Stärkung der Vielfalt in Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe vor.
Am 2. Dezember 2024 findet vor dem Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend eine Anhörung von Sachverständigen zu dem Gesetzentwurf statt.
Gesetz zur Änderung nordrhein-westfälischer Ausführungsgesetze zum SGB VIII
2. Rechtsprechung
Beteiligung des Samenspenders am Adoptionsverfahren
Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 31. Juli 2024
Az.: XII ZB 147/24
Die Mutter des inzwischen vierjährigen Kindes ist mit ihrer Ehefrau seit Dezember 2017 verheiratet. Das Kind wurde durch eine private Samenspende gezeugt und am 24. Juli 2020 geboren. Durch notarielle Urkunde willigte die Mutter in die Annahme ihres Kindes durch ihre Ehefrau ein. Diese hat in der Folge die Annahme des Kindes beantragt. Eine Zustimmung des Samenspenders, mit dem die beiden Frauen nach eigenen Angaben in Kontakt stehen, hat sie nicht vorgelegt. Die Frauen gaben an, der Samenspender wolle derzeit am Leben des Kindes nicht aktiv teilnehmen und nicht namentlich benannt werden. Der Samenspender schließe es jedoch nicht aus, zu einem späteren Zeitpunkt den Kontakt mit dem Kind aufzunehmen, wenn dieses das wolle.
Das Amtsgericht hatte den Antrag der Ehefrau auf Annahme des Kindes zurückgewiesen, die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Oberlandesgericht verworfen. Hiergegen wendet sich die Ehefrau mit ihrer Rechtsbeschwerde.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
Der Bundesgerichtshof führt aus, das grundsätzlich geschützte Interesse des möglichen leiblichen Vaters, die Rechtsstellung als Vater des Kindes einnehmen zu können, sei verfahrensrechtlich dadurch zu sichern, dass dieser vom Familiengericht entsprechend § 7 Abs. 4 FamFG vom Adoptionsverfahren benachrichtigt werden muss, um ihm eine Beteiligung am Verfahren zu ermöglichen. Von einer solchen Beteiligung könne nur ausnahmsweise abgesehen werden, wenn unzweifelhaft sei, dass eine Beteiligung des möglichen leiblichen Vaters nicht in Betracht komme. Darüber hinaus sei eine Benachrichtigung vom Adoptionsverfahren regelmäßig nur unter den Voraussetzungen des § 1747 Abs. 4 BGB entbehrlich. Die bloße Erklärung der Mutter und der Annehmenden, der ihnen bekannte Samenspender sei mit der Adoption einverstanden und lege keinen Wert auf Beteiligung am Adoptionsverfahren, entbinde das Gericht nicht ohne Weiteres von der Benachrichtigung des Samenspenders.
Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 31. Juli 2024
Nachweis einer Schutzimpfung gegen Masern
Oberverwaltungsgericht NRW, Beschluss vom 16. Juli 2024
Az.: 13 B 1281/23
Die Eltern beantragten, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die mit Bescheid des Antragsgegners erfolgte Aufforderung, innerhalb von vier Wochen einen Nachweis über den ausreichenden Impfschutz gegen Masern oder die Impfunfähigkeit gegen Masern für ihr schulpflichtiges Kind vorzulegen und die Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 500 Euro anzuordnen, wiederherzustellen.
Die Beschwerde ist nicht erfolgreich.
Das Gericht führt aus, § 20 Abs. 12 S.1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) beinhalte die Befugnis, die Vorlage des Nachweises nach § 9 S. 1 IfSG durch Verwaltungsakt anzuordnen sowie die Anordnung mit dem Zwangsmittel des Zwangsgeldes durchzusetzen. Bei der Vorlagepflicht an das Gesundheitsamt handele es sich um eine durch Verwaltungsvollstreckungsrecht und insbesondere mit Zwangsgeld durchsetzbare Pflicht. Dies ergebe sich schon aus der Gesetzesbegründung des Masernschutzgesetzes.
Zudem habe auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zu Masernimpfnachweisen (BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2022, 1 BvR 469/20) die in § 20 Abs. 8, 9 und 12 IfSG festgelegten Pflichten bei schulpflichtigen Kindern bestätigt. Der Nachweis dürfe mittels Verwaltungsakt angefordert werden. Das Vorbringen der Antragsteller, wonach Eltern von Schulkindern wegen der geltenden Schulpflicht keine Entscheidungsfreiheit verbleibe, wenn die Nachweislage mittels Verwaltungsakt angeordnet werden könne, sieht das Gericht nicht als ausreichend an.
Die Verhältnismäßigkeit ergebe sich insbesondere mit Blick auf das hohe Infektionsrisiko innerhalb einer Gemeinschaftseinrichtung, wie einer Schule, wo regelmäßig eine Vielzahl von Kindern ohne nennenswerten Abstand aufeinandertrifft, und das vom Gesetzgeber verfolgte legitime hochrangige Ziel, die Ansteckung vulnerabler Gruppen vor einer für sie gefährlichen Masernerkrankung zu schützen.
Beschluss des Oberverwaltungsgerichts NRW vom 16. Juli 2024
Familiengerichtliche Entscheidung bei Inobhutnahme
Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 25. September 2024
Az. 15 B 74/24
Mit dem Einverständnis der Mutter war mit Beschluss des Familiengerichts im Wege der einstweiligen Anordnung eine Ergänzungspflegerin mit den Aufgaben Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsvorsorge, Recht auf Beantragung von Jugendhilfe und das Umgangsbestimmungsrecht bestimmt worden.
Die Mutter stellte einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz, mit dem Ziel, eine avisierte Inobhutnahme zu verhindern.
Der Antrag ist unzulässig. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes fehlt der Antragstellerin das Rechtsschutzbedürfnis.
Gemäß § 42 Abs. 3 SGB VIII habe das Jugendamt in dem Fall, in dem die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme widersprechen und eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht, das Kind unverzüglich herauszugeben oder unverzüglich eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes herbeizuführen, was hier geschehen sei. Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b SGB VIII sei die Entscheidung des Familiengerichts als vorrangig gegenüber einem Tätigwerden des Jugendamtes in Form einer Inobhutnahme anzusehen.
Das Familiengericht habe bereits in diesem Sinne seine Eingriffskompetenz wahrgenommen. Auch sei eine Inobhutnahme nach Aktenlage nicht konkret beabsichtigt. Der Rechtsstreit habe sich damit erledigt, da der Antragstellerin das für eine Fortführung notwendige Rechtsschutzbedürfnis fehle.
3. Publikationen
Empfehlung zur Personalbemessung im (Allgemeinen) Sozialen Dienst
Mit dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz wurde in § 79 Abs. 3 SGB VIII die Verpflichtung aufgenommen, dass die Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Planung und Bereitstellung einer bedarfsgerechten Personalausstattung ein Verfahren zur Personalbemessung nutzen. Gemeinsam mit Fach- und Leitungskräften aus zwölf Jugendämtern unterschiedlicher Strukturtypen und Größen haben die beiden Landesjugendämter in NRW eine Empfehlung zur Personalbemessung im (Allgemeinen) Sozialen Dienst erarbeitet und in einem Expert*innenworkshop zur Diskussion gestellt. Die Ergebnisse des Workshops sind in die Empfehlung eingeflossen.
Die Empfehlung wurde als Empfehlung gemäß § 85 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII von den Landesjugendhilfeausschüssen des LVR-Landesjugendamtes Rheinland und des LWL-Landesjugendamtes Westfalen beschlossen. Sie soll den örtlichen Jugendämtern als Orientierung zur Personalbemessung gemäß § 79 Abs. 3 SGB VIII dienen. Auch den örtlichen Jugendhilfeausschüssen wird eine Befassung empfohlen. Ziel der Empfehlung ist es, den Jugendämtern in NRW ein Konzept für die Personalbemessung in den (Allgemeinen) Sozialen Diensten zur Verfügung zu stellen - sowohl zur Ermittlung des Bedarfs an Fachkräften als auch zur Ermittlung der Leitungsspanne für Führungskräfte. Zu einem späteren Zeitpunkt werden den Jugendämtern die Kernprozessbeschreibungen als Dateien und Berechnungstools in Excel zur Verfügung gestellt werden.
Empfehlung zur Personalbemessung im (Allgemeinen) Sozialen Dienst
Trennungs-und Scheidungsberatung und die Mitwirkung vor dem Familiengericht
Mit Unterstützung von Fach- und Leitungskräften aus örtlichen Jugendämtern haben die Landesjugendämter Rheinland und Westfalen-Lippe eine Arbeitshilfe zum Kernprozess der Trennungs- und Scheidungsberatung herausgegeben.
Die Arbeitshilfe beschreibt in einem „Allgemeinen Teil“ die gesetzlichen Grundlagen, die Qualitätsindikatoren und die Arbeitsprozesse der Trennungs- und Scheidungsberatung.
In einem „Besonderen Teil“ werden spezielle Vertiefungsthemen ausführlich dargestellt und Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt.
Die Arbeitshilfe finden Sie demnächst auf unserer Homepage.
Expertise zu Kinderschutz und datenschutzrechtlichen Regelungen
Das Deutsche Jugendinstitut hat eine Expertise mit dem Titel „Wie kann im Kinderschutz ein Austausch verschiedener Akteurinnen und Akteure vor dem Hintergrund der bestehenden datenschutzrechtlichen Regelungen ermöglicht werden?“ veröffentlicht. Sie bezieht sich primär auf den Austausch im Rahmen einer fallbezogenen Kooperation und richtet sich an Fachkräfte der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe. Die Expertise möchte Orientierung im Hinblick auf einen datenschutzrechtlich legitimen Austausch in Kinderschutzfällen bieten.
Expertise des Deutsche Jugendinstituts zu Kinderschutz und datenschutzrechtlichen Regelungen
Elterngeldanspruch auch für Pflegeeltern
Der Bundesrat hat in einer Entschließung vom 18. Oktober 2024 die Bundesregierung dazu aufgefordert, einen Elterngeldanspruch für Pflegeeltern im Gesetz zum Elterngeld gesetzlich zu verankern. Pflegeeltern, die ein Kind in Vollzeitpflege aufnehmen würden, hätten nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz zwar einen Anspruch auf Elternzeit, aber bisher keinen Anspruch auf Elterngeld. Damit seien Pflegeeltern erheblich benachteiligt.
Verfahrenslotsen und Teilhabeberatung
Der Bundesverband für Erziehungshilfe e.V.(AFET) hat zu dem Thema Verfahrenslotsen und Teilhabeberatung (EUTB) eine umfangreiche Veröffentlichung erstellt. In den Blick genommen und analysiert werden die neu implementierten Verfahrenslotsen nach § 10b SGB VIII sowie die ergänzende und unabhängige Teilhabeberatung nach § 32 SGB IX. Beide Strukturen wirken als Begleitinstitutionen parallel im Sozialraum und die Veröffentlichung des AFET stellt die rechtlichen, fachlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen beider Strukturen vor. In einer Analyse werden beide Begleitinstitutionen verglichen und Kooperationsmöglichkeiten ausgelotet.
4. Veranstaltungen
Sozialverwaltungsverfahrensrecht in der Kinder- und Jugendhilfe
Am 21. Januar 2025 bietet das LVR-Landesjugendamt eine Online-Fortbildung zum Sozialverwaltungsverfahrensrecht in der Kinder- und Jugendhilfe an.
In der Fortbildung werden im Austausch mit den Teilnehmenden die für die Kinder- und Jugendhilfe relevanten Aspekte des Sozialverwaltungsverfahrensrecht dargestellt und besprochen. Es geht dabei um die Antragstellung, Beteiligung, Erlass von Verwaltungsakten wie Hilfegewährung, Inobhutnahme, Erlaubniserteilung, Kostenbeteiligung sowie die Rechtschutzmöglichkeiten und Spielräume der Jugendämter.
Die Fortbildung richtet sich an Mitarbeitende von Jugendämtern und freien Trägern sowie weitere Interessierte im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe aus dem Einzugsbereich des LVR-Landesjugendamtes.
Referentin ist Diane Eschelbach, die als Juristin und freie Referentin für Kinder- und Jugendhilfe sowie als Gutachterin für das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht tätig ist.
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Der Newsletter "Rechtsfragen der Jugendhilfe" ist ein kostenloser Service des Landschaftsverbandes Rheinland, LVR-Dezernat Kinder, Jugend und Familie, 50663 Köln.
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Regine Tintner
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