Pressemeldung
Auszeichnungen für wissenschaftliche Forschungen
LVR verleiht Edith-Ennen-Wissenschaftspreis des LVR an Dr. Markus Jansen und Dr. Keywan Klaus Münster
Köln. 23. Juni 2025. Für ihre wissenschaftlichen Untersuchungen wurden Dr. Markus Jansen und Dr. Keywan Klaus Münster im Rahmen einer Feierstunde am heutigen Montagabend (23. Juni) im Landeshaus in Köln mit dem Edith-Ennen-Wissenschaftspreis des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) geehrt.
Anne Henk-Hollstein, Vorsitzende der Landschaftsversammlung Rheinland, würdigte in ihrer Begrüßung die Auszuzeichnenden: „Unsere beiden Preisträger sind in ihren Forschungsgebieten eng mit dem Rheinland verbunden. Ihre Arbeiten stehen für eine stadt- und landesgeschichtliche Grundlagenforschung gepaart mit quellengesättigter Wissenschaftlichkeit. Das Verbindende zwischen den beiden Auszuzeichnenden ist Köln: Einmal als „Stadt der Ritter“ des Spätmittelalters und einmal in der Person des Kölner Erzbischofs Karl Joseph Kardinal Schultes in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Es waren sehr verschiedene, doch beide Male prägende Zeiten für die Stadt und die Region“, so Henk-Hollstein mit Blick auf die beiden Themen der Doktorarbeiten.
Dr. Helmut Rönz, Dienststellenleiter des LVR-Instituts für Landeskunde und Regionalgeschichte, hielt die Laudatio für Dr. Keywan Klaus Münster. Münster, der in Wesseling lebt, hat in seiner Dissertation „Macht und Konzilianz. Zur Biographie des Kölner Erzbischofs Karl Joseph Kardinal Schulte (1871–1941, Verlag Franz Schmitt, Siegburg)“ ein grundlegendes Werk zur katholischen Kirchen- und Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts erarbeitet. Münster legt eine „politische“ Biographie des langjährigen Kölner Erzbischofs und exponierten Seelsorgers vor und greift damit die aktuelle Frage auf: Wie politisch konnte Kirche sein, wie politisch sollte sie sein? Schulte als Untersuchungsperson eröffnet ein breites geschichtliches Panorama: 1910 mit gerade einmal 38 Jahren zum Bischof erhoben, entwickelte sich Schulte zu einem prägenden Akteur im Spannungsfeld zwischen Kirche, Staat und Gesellschaft – und das über drei politische Systeme hinweg: vom Kaiserreich über die Weimarer Demokratie bis in die NS-Zeit. Lange galt Schulte als blass, teils lediglich als Vertreter eines ausgleichenden, aber auch anpassungswilligen Kurses gegenüber dem NS-Regime. Münster erweitert nun dieses Bild: Auf Basis umfangreicher Archivstudien – darunter neu erschlossene Quellen aus dem Vatikan, aus staatlichen Archiven sowie aus bislang unzugänglichen Nachlässen – entsteht das facettenreiche Porträt eines Kirchenmannes, der zwischen Seelsorge und Machtpolitik agierte. Damit eröffnet die Biographie Zugänge zu Themen wie: Wie stellte sich die Kirche im Westen zur neuen Demokratie nach 1918? Wie tarierte Kirche das Verhältnis zum Nationalsozialismus regional aus oder wie veränderte sich der Umgang mit sexuellem Missbrauch?
Als Doktormutter führte Prof. Dr. Marita Blattmann, Universität zu Köln, in Ihrer Laudatio für Dr. Markus Jansen zu dessen Arbeit aus. Jansens Dissertation „Die Stadt der Ritter. Kriegerische Habitusformen der Elite der spätmittelalterlichen Stadt Köln (Stadt und Gesellschaft, Bd. 11). Wien / Köln 2024“ untersucht am Beispiel Kölns, wie sich die städtischen Eliten des Spätmittelalters (13. bis frühes 16. Jahrhundert) mit dem Rittertum und dem Landadel verbanden. Anders als lange angenommen, waren die führenden Familien Kölns nicht nur wohlhabende Stadtbürger, sondern auch aktive Mitglieder der ritterlichen Welt – mit Burgen, militärischem Engagement und engen Kontakten zum Adel in der Umgebung. Das zeigt: Die sozialen Grenzen zwischen Stadt und Land waren durchlässiger als bisher gedacht. Im Mittelpunkt stehen die sogenannten ‚Geschlechter‘, eine kleine Zahl etablierter Familien, die die städtische Herrschaft dominierten – bis sie 1396 durch eine neue Regierungsform aus Zünften und Kaufleuten abgelöst wurden. Diese alten Familien pflegten einen ritterlichen Lebensstil: Sie kämpften in europäischen Kriegen, besaßen Burgen, ließen sich in Rüstung darstellen und orientierten sich an ihren eigenen Heldenfiguren wie dem Römer Agrippa oder Karl dem Großen. Die Vorstellung, die Kölner Geschlechter seien Nachkommen römischer Ritter aus des Zeit Kaiser Trajans, prägte das Selbstbild dieser Familien über Jahrhunderte hinweg.
Die Studie konnte 258 Ritter aus 69 Kölner Familien identifizieren – eine beeindruckende Zahl, die die Bedeutung des Rittertums für Kölns Elite unterstreicht. Nach dem Umbruch von 1396 änderte sich jedoch vieles: Die neuen, aufgestiegenen Familien übernahmen zwar Macht und Reichtum, verzichteten aber weitgehend auf ritterliche Inszenierung, Besitz oder militärisches Engagement. So entstand ein deutlicher kultureller Unterschied zwischen alter und neuer Elite.
Mit der Verleihung des Edith-Ennen-Wissenschaftspreises des LVR ehrt der LVR insbesondere Arbeiten zu Themen der Geschichte, vorzugsweise der Regional- und Landesgeschichte im Rheinland, außerdem zu den Themenfeldern Heimatpflege, Volkskunde / Empirische Kulturwissenschaft, Archäologie / Bodendenkmalpflege, Geowissenschaften, Kulturlandschaftspflege, Natur- und Landschaftsschutz, Musikwissenschaft, Sprach- und Literaturwissenschaft.
Der Preis erinnert an die deutsche Historikerin und Archivarin Edith Ennen (1907-1999), die wegweisende Forschungen zur europäischen Stadtgeschichte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit erarbeitet hat. Weitere Schwerpunkte ihrer Forschungstätigkeit waren die Geschichte der Frauen im Mittelalter und die rheinische Landesgeschichte vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert.
Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert und kann an zwei Personen zugleich vergeben werden; in diesen Fällen wird das Preisgeld geteilt.
Weitere Informationen zu Edith Ennen unter: www.rheinische-geschichte.lvr.de .
Informationen zu den Ehrungen und Preisen des LVR unter: www.rheinland-ausgezeichnet.lvr.de .
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Anne Henk-Hollstein, Vorsitzende der Landschaftsversammlung Rheinland (Mitte), zeichnete Dr. Keywan Klaus Münster (li.) und Dr. Markus Jansen (re.) mit dem Edith-Ennen-Wissenschaftspreis des LVR aus.
Foto: Uwe Weiser / LVR
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