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Pressemeldung

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Newsletter "Rechtsfragen der Jugendhilfe"

Ausgabe Juli 2025

1. Aus der Gesetzgebung des Bundes und des Landes NRW

Familiennachzug subsidiär Schutzberechtigter ausgesetzt

Der Bundestag hat am 27. Juni 2025 in 2.und 3. Lesung die Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten beschlossen. Der Familiennachzug wird für zwei Jahre ausgesetzt, um die Aufnahme- und Integrationssysteme der Bundesrepublik Deutschland zu entlasten. Zugleich soll eine Familienzusammenführung in Härtefällen nach wie vor möglich sein. In die Zielbestimmung nach § 1 Abs. 1 S. 1 Aufenthaltsgesetz wird das Ziel der Begrenzung der Zuwanderung neben der Steuerung wiederaufgenommen. Dies soll dem Erfordernis Rechnung tragen, Migration im Interesse der Aufnahmekapazität des Staates, der Funktionsfähigkeit gesellschaftlicher Strukturen sowie der Integrationsfähigkeit zu gestalten.

Das Gesetz ist am 23. Juli 2025 verkündet worden und am nächsten Tag in Kraft getreten.

Aussetzung Familiennachzug subsidiär Schutzberechtigter

Anfechtung der Vaterschaft durch leibliche Väter

Nach § 1600 Absatz 1 Nr. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) kann ein Mann, der biologischer Vater eines Kindes ist, die Vaterschaft eines anderen Mannes, der bisher im rechtlichen Sinne der Vater des Kindes war, anfechten. Dies war bisher nicht möglich, wenn zur Zeit der Anfechtung zwischen dem betroffenen Kind und dem Vater im Rechtssinne eine sogenannte sozial-familiäre Beziehung bestand. Mit Urteil vom 9. April 2024 hat das Bundesverfassungsgericht diese Regelung für unvereinbar mit Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) erklärt und den Gesetzgeber zur Neuregelung verpflichtet.

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat am 4. Juli 2025 den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Vaterschaftsanfechtung vorgelegt. Der Entwurf sieht neue Regeln vor für den Fall, dass der leibliche Vater eines Kindes die rechtliche Vaterschaft eines anderen Mannes für das Kind anfechten will. Mit der Neuregelung soll den Grundrechten aller Beteiligten angemessen Rechnung getragen werden. Dabei soll das Lebensalter des Kindes maßgeblich Berücksichtigung finden.

Die nun im Referentenentwurf vorgeschlagene Neuregelung zielt darauf ab, biologischen Vätern die Anfechtung der bestehenden rechtlichen Vaterschaft eines anderen Mannes zu ermöglichen, bei der die Interessen aller Beteiligten sachgerecht berücksichtigt werden. Die neue gesetzliche Regelung enthält daher eine Vielzahl verschiedener Kriterien, nach denen im Einzelfall bestimmt wird, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Anfechtung der Vaterschaft möglich ist. Insbesondere wird die Anfechtungsmöglichkeit in den ersten sechs Monaten nach der Geburt des Kindes gar nicht begrenzt. Ferner wird berücksichtigt, ob auch zwischen dem Kind und dem biologischen Vater eine sozial-familiäre Beziehung besteht oder ob eine solche zum Vater im Rechtssinne mittlerweile weggefallen ist. Im Übrigen wird durch den Gesetzesentwurf auch die Rolle des Kindes bei der Anfechtung wie auch bei einer rechtlichen Anerkennung der Vaterschaft gestärkt und die Möglichkeit für den biologischen Vater eröffnet, eine Vaterschaft mit Zustimmung aller Beteiligten einschließlich des bisherigen rechtlichen Vaters anzuerkennen.

Referentenentwurf

Gesetz zur Änderung des Landeskinderschutzgesetzes NRW

Am 9. Juli 2025 hat der nordrhein-westfälische Landtag ein Gesetz zur Änderung des Landeskinderschutzgesetzes beschlossen, welches nun in Kraft getreten ist. Zunächst wird für die Dauer von fünf Jahren eine Beauftragte oder ein Beauftragter für Kinderschutz und Kinderrechte installiert. Ziel ist die flächendeckende Etablierung der Themen Kinderschutz und Kinderrechte in NRW und die Weiterentwicklung bestehender Kinderschutz- und Beschwerdestrukturen. Aufgaben sind unter anderem die Weitervermittlung der Anliegen von Kindern und Jugendlichen, ihren Interessenvertretungen sowie von Betroffenen jeder Form von Gewalt im Kindes- und Jugendalter und deren Angehörige an geeignete Unterstützungssysteme. Weiterhin die Begleitung von Maßnahmen und Vorhaben der Landesregierung und des Landtags in den Bereichen Kinderschutz und Kinderrechte. Der oder die Beauftragte ist verpflichtet, zu Beginn einer Legislaturperiode und jeweils zur Mitte einen Bericht zur Lage des Kinderschutzes und der Wahrung der Kinderrechte vorzulegen. Das Gesetz ist nach zwei Jahren zu evaluieren.

Änderung Landeskinderschutzgesetz

Mehr Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in der Gemeinde

Der nordrhein-westfälische Landtag hat am 9. Juli 2025 das Gesetz zur Änderung kommunalrechtlicher und weiterer Vorschriften im Land NRW beschlossen. Unter anderem wird in die Gemeindeordnung (GO) wird ein neuer § 27a eingefügt, welcher die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen regelt. Die Gemeinden sollen Kinder und Jugendliche bei Planungen und Vorhaben, die ihre Interessen berühren, in angemessener Weise beteiligen und dafür geeignete Beteiligungsverfahren entwickeln. Es kann eine Jugendvertretung eingerichtet werden und Jugendliche können diese mit einer entsprechenden Zahl an Unterschriften auch beantragen. Wird eine Jugendvertretung eingerichtet, so sind dieser angemessene finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen.

Der neu eingefügte § 27b GO bestimmt zusätzlich, dass Gemeinden zur Wahrnehmung der spezifischen Interessen von Senioren, Kindern und Jugendlichen, Menschen mit Behinderungen oder anderen gesellschaftlichen Gruppen besondere Vertretungen bilden oder Beauftragte bestellen können.

Änderung kommunalrechtlicher und weiterer Vorschriften NRW

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2. Rechtsprechung

Analoge Anwendung von § 89e Absatz 1 Satz 1 SGB VIII in Verbindung mit § 89a SGB VIII bei Trägeridentität

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25. Februar 2025

Az. 5 C 4.23

Aufgrund ihrer gemäß § 86 Absatz 1 Satz 1 SGB VIII bestehenden Zuständigkeit gewährte die Beklagte Vollzeitpflege gemäß §§ 27, 33 SGB VIII in einer im Bereich des Klägers lebenden Pflegefamilie. Im weiteren Verlauf entzog das Familiengericht der Mutter das Sorgerecht teilweise und dem Vater vollständig.

Kurze Zeit nachdem der Kläger den Hilfefall aufgrund seiner gemäß § 86 Abs. 6 SGB VIII bestehenden Zuständigkeit übernommen hatte, wurde die Mutter in einer geschützten Einrichtung im Bereich des Klägers aufgenommen und begründete dort einen gewöhnlichen Aufenthalt. Nachfolgend stellte das Familiengericht das Ruhen des Sorgerechts der Mutter fest. Die Beklagte erstattete dem Kläger zunächst die Jugendhilfekosten, verweigerte dies jedoch in der Folge.

Auf die sodann erhobene Leistungsklage hat das Verwaltungsgericht die Beklagte zur Kostenerstattung in der vom Kläger geforderten Höhe verurteilt. Da die hiergegen erhobene Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht erfolglos blieb, legte die Beklagte Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht ein.

Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht entschieden, dass dem Kläger gegenüber der Beklagten ein Kostenerstattungsanspruch auf Grundlage einer analogen Anwendung des § 89e Absatz 1 Satz 1 SGB VIII zusteht.

Ein Anspruch auf Grundlage einer direkten oder analogen Anwendung des § 89a SGB VIII noch unter direkter Heranziehung des § 89e Absatz 1 Satz 1 SGB VIII bestehe jedoch nicht.

Eine Kostenerstattung gemäß § 89a Absatz 3 SGB VIII scheide aus, da ab der Aufnahme der Mutter in der geschützten Einrichtung der Kläger nicht mehr nur als Leistungsträger nach § 86 Absatz 6 SGB VIII örtlich zuständig gewesen sei, sondern auch ohne dessen Anwendung fiktiv gemäß § 86 Absatz 5 SGB VIII gewesen wäre. Nach den allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen, die auch im öffentlichen Recht Geltung beanspruchen würden, könne ein Anspruch jedoch nicht gegen sich selbst bestehen und sei damit ausgeschlossen.

Eine unmittelbare Anwendung von § 89e Absatz 1 Satz 1 SGB VIII sei ebenfalls nicht möglich, denn vorliegend sei für die Zuständigkeit der gewöhnliche Aufenthalt der Pflegeperson nach § 86 Absatz 6 SGB VIII maßgeblich. Diese gehöre jedoch nicht zu dem Personenkreis des § 89e Absatz 1 Satz 1 SGB VIII.

In der vorliegenden Konstellation sei aber ein Erstattungsanspruch auf Grundlage einer analogen Anwendung von § 89e Absatz 1 Satz 1 SGB VIII gegeben. Eine analoge Anwendung setzte allerdings eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollkommenheit des Gesetzes voraus, die dann zu bejahen sei, wenn festzustellen sei, dass der Wortlaut der Vorschrift nicht alle Fälle erfasse, die nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift erfasst sein sollten.

Bundesverwaltungsgericht Analoge Anwendung § 89e SGB VIII

Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge trotz Sorgerechtsvollmacht

Hanseatisches Oberlandesgericht Bremen, Beschluss vom 10. Juli 2025

Az.: 4 UF 38/25

Die elterliche Sorge über drei gemeinsame minderjährige Kinder übten die verheirateten Eltern zunächst gemeinsam aus. Die Eheleute haben sich spätestens am 17. Mai 2024 getrennt, die Mutter ist aufgrund massiver Gewaltanwendung durch den Ehemann zu diesem Zeitpunkt mit den Kindern in ein Frauenhaus gezogen, in welchem sie zum wiederholten Mal war. Die Ehe ist zwischenzeitlich geschieden. Durch Beschluss hatte das Amtsgericht Bremen der Mutter im Wege der einstweiligen Anordnung die elterliche Sorge für die Kinder allein übertragen. Die Beschwerde des Vaters wurde in diesem Verfahren zurückgewiesen. Die Eltern hatten sich auf begleitete Umgangskontakte geeinigt, welche der Vater auch ausübt. Der Vater hatte während der Ehe eine außereheliche Beziehung zu einer anderen Frau und wurde rechtskräftig wegen einer zu Lasten dieser Frau begangenen Körperverletzung verurteilt.

Im Hauptsacheverfahren hatte der Vater in der mündlichen Anhörung der Mutter eine voll umfängliche Sorgerechtsvollmacht erteilt, dem Antrag der Mutter auf Übertragung der alleinigen Sorge aber nicht zugestimmt. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 4.April 2025 die elterliche Sorge für die drei Kinder auf die Mutter allein übertragen. Die vollumfassende Vollmacht führe hier nicht zu einer Entbehrlichkeit der sorgerechtlichen Entscheidung. Der Mutter könne es angesichts der massiven gewalttätigen Übergriffe nicht zugemutet werden, zu einer Restkooperation mit dem Vater verpflichtet zu werden. Hiergegen wendet sich der Vater mit einer Beschwerde.

Das Gericht weist die Beschwerde als unbegründet zurück. Es sei zu erwarten, dass die Übertragung der alleinigen Sorge durch die Mutter dem Wohl der Kinder am besten entspricht. Es sei zu befürchten, dass die Eltern auch in Zukunft nicht in der Lage sein werden, ihre Streitigkeiten in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge konstruktiv und ohne gerichtliche Auseinandersetzungen beizulegen. Dem stehe auch nicht die Erteilung der Sorgerechtsvollmacht durch den Vater entgegen. Sie kann in diesem Fall nicht als milderes Mittel wirksam fungieren. Angesichts der Gewalttätigkeiten des Vaters und der Bagatellisierungen des Vaters im Hinblick auf sein Verhalten kann nur die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge sicherstellen, dass die Rechte und die Sicherheit der Mutter und der Kinder bei der Ausübung des Sorgerechts nicht gefährdet werden.

Elterliche Sorge

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3. Veranstaltungen

Fachtagung unbegleitete minderjährige Geflüchtete

Die Landschaftsverbände Westfalen-Lippe und Rheinland bieten am 4. Dezember 2025 eine Fachtagung zu aktuellen Themen, Fragestellungen und Entwicklungen an. Die Betreuung, Begleitung und Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten stellt die örtlichen Träger der Kinder und Jugendhilfe vor große Herausforderungen. Ziel der Fachtagung ist es, mehr Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen und Handlungssicherheit zu vermitteln. Angeboten werden Kurzvorträge sowie Workshops. Veranstaltungsort ist der Wissenschaftspark in Gelsenkirchen.

Veranstaltungsseite im Online-Katalog

4. Aktuelles

Inobhutnahmen 2024

Laut einer Pressemitteilung des Statistisches Bundesamts vom 28. Juli 2025, haben die Jugendämter in Deutschland im Jahr 2024 rund 69500 Kinder und Jugendliche vorübergehend in Obhut genommen. Das waren ca. 5100 Jungen und Mädchen weniger als im Jahr zuvor.

Damit ist die Zahl der Schutzmaßnahmen erstmals wieder zurückgegangen, nachdem sie zuvor drei Jahre in Folge angestiegen war. Zurückzuführen sei der Rückgang auf den leichten Rückgang der unbegleiteten Einreisen aus dem Ausland. Deren Zahl ist in 2024 im Vergleich zu Vorjahr um 22 % gesunken. Gleichzeitig stieg aber die Fallzahl durch dringende Kindeswohlgefährdungen um 10 % und durch Selbstmeldungen von betroffenen Kindern und Jugendlichen um ebenfalls 10 % an. Trotz des leichten Rückgangs erfolgten im Jahr 2024 die meisten Inobhutnahmen (44 %) aufgrund von unbegleiteter Einreise. Daneben wurden Schutzmaßnahmen wegen Überforderung der Eltern (25 %), Vernachlässigungen (12 %), körperlichen Misshandlungen (11 %) und psychischen Misshandlungen (8 %) durchgeführt.

Inobhutnahmen 2024

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Der Newsletter "Rechtsfragen der Jugendhilfe" ist ein kostenloser Service des Landschaftsverbandes Rheinland, LVR-Dezernat Kinder, Jugend und Familie, 50663 Köln.

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