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bauhaus in deiner nähe: „Ein Gott, eine Gemeinde, ein Raum“

Moderne Kirchenarchitektur in Nordrhein-Westfalen

Köln/Münster. 5. Dezember 2018. Die Vorweihnachtszeit gibt Anlass, außergewöhnliche Kirchen in Nordrhein-Westfalen zu entdecken: Auch wenn Kirchenarchitektur am Bauhaus selbst keine Rolle spielte, veränderten geometrische Formen und neue Materialien in den 1920er Jahren den Kirchenbau nachhaltig, traditionelle Gestaltungselemente wichen einer dynamischen und experimentierfreudigen Architektur.

Die evangelische Auferstehungskirche in Essen von Otto Bartning (gebaut 1929/30) griff die Forderungen der sogenannten Liturgischen Bewegung auf: Die Gemeinde sollte aktiv an der Messe teilnehmen, indem sie sich um den Altar herum gruppierte anstatt dem Gottesdienst frontal nur andächtig beizuwohnen. Beide christlichen Konfessionen setzten diese Idee in moderne und experimentierfreudige Architektur um. Der Grundriss von Bartnings Essener Auferstehungskirche ist kreisförmig, die Fenster stammen von Jan Thorn Prikker, dem Begründer der modernen Glasmalerei. Wegen seiner neuartigen Form wurde das Gebäude in der Bevölkerung ironisch „Zirkus“ oder „Tortenkirche“ genannt. Barting selbst wurde in der Nachkriegszeit berühmt für seine evangelischen Notkirchen: Im Angesicht der Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs und des Bedarfs an Seelsorge mussten schnell Kirchenräume her. Eine Tragwerkkonstruktion aus Holz wurde in Serie produziert und den Gemeinden geliefert, diese wiederum bauten das Fundament und das Mauerwerk. Ab dem 21. Juli 2019 wird im LVR-Freilichtmuseum Kommern eine wiederaufgebaute Notkirche aus Overath/Rheinisch Bergischer Kreis gezeigt, flankiert durch die Ausstellung „Otto Bartning (1883-1959). Architekt einer sozialen Moderne“.

Der katholische Kirchenbaumeister Dominikus Böhm schuf mit der Kirche St. Engelbert in Köln-Riehl (1930-32) sein wahrscheinlich kühnstes Werk. Gemäß seiner Formel „Ein Gott, eine Gemeinde, ein Raum“ erdachte Böhm eine Kirche, die aus acht parabelförmigen Wandelementen aus Backstein besteht. Diese bilden einen zeltartigen Überbau, der den Gemeinderaum hervorhebt. Im Volksmund wurde dieses Gebäude bald „Zitronenpresse“ genannt.

Die erste Kirche Deutschlands in Betonbauweise steht in Dortmund: Die Nicolaikirche der Architekten Karl Pinno und Peter Grund besteht aus Glas, Stahl und Beton und wurde 1929 im Stil des Neuen Bauens errichtet als „moderne Kirche in der Großstadt“. Im Innenraum werden Licht und Transparenz zum vorherrschenden Gestaltungsprinzip. Zunächst stießen die Pläne auf Ablehnung bei der Kirchenleitung, letztendlich konnte sich die Gemeinde jedoch durchsetzen.

Für den Geist des Aufbruchs nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil steht exemplarisch der Nevigeser Wallfahrtsdom in Velbert. Erbaut zwischen 1966 und 1968 von Gottfried Böhm, dem Sohn von Dominikus Böhm, im Stile des Brutalismus, rückt die Gemeinde buchstäblich in den Altarraum hinein. Ein niedriges Podium ermöglicht die enge Kommunikation zwischen Gemeinde und Priester.

In der Kirche St. Fronleichnam in Aachen dokumentiert eine Ausstellung vom 9. September bis zum 6. Oktober 2019 erstmalig die Aachener Kunstgewerbeschule. Sie brachte unter der Leitung von Rudolf Schwarz zwischen 1927 und 1934 insbesondere auf dem Gebiet der sakralen Kunst und Architektur herausragende Werke hervor. Weit westlich von Dessau beschritt die Schule eigene Wege – gerade in Abgrenzung zum profan ausgerichteten Bauhaus – und beeinflusste wesentlich die Entwicklung der „Sakralen Moderne“, die im Bauhaus nicht vertreten war. Am authentischen Ort ihres bedeutendsten Gesamtkunstwerkes, der Kirche St. Fronleichnam in Aachen, zeigt die Ausstellung die programmatischen Ideen der Schule.

Die Beispiele zeigen deutlich, wie Architektur gesellschaftliche Fragestellungen mit Hilfe der Ideen des modernen Bauens und mit moderner Gestaltung zu lösen vermochte – ganz im Sinne des Bauhauses.

Hintergrund

Am 16. Januar 2019 eröffnet Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in der Berliner Akademie der Künste die Feierlichkeiten zum einhundertjährigen Jubiläum des Bauhauses.

Die Reihe „bauhaus in deiner nähe“ zeigt, wie die Bauhaus-Idee auch NRW ihren Stempel aufdrückte und welche vielfältigen und lebendigen Spuren und Zeugnisse dieser weltberühmten Schule für Architektur und Design in Nordrhein-Westfalen zu finden sind.

Das 100-jährige Bauhaus-Jubiläum ist ein bundesweites Kulturereignis mit internationaler Strahlkraft. Für Nordrhein-Westfalen hat das Ministerium für Kultur und Wissenschaft gemeinsam mit den Landschaftsverbänden Rheinland (LVR) und Westfalen-Lippe (LWL) die Projektkoordination für „100 jahre bauhaus im westen“ übernommen. Schirmherrin des Projekts ist Kultur- und Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen.

Weitere Infos unter www.bauhaus100-im-westen.de

Pressekontakt:

Hermann Lamberty
Pressesprecher Ministerium für Kultur und Wissenschaft
Tel: 0211 896 – 4790

Birgit Ströter
LVR-Fachbereich Kommunikation
Tel: 0221 – 809 – 77 11

Frank Tafertshofer
LWL-Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Tel 0251 591-235

Bilder zum Download

  1. Kirchengebäude

    Die Nicolaikirche der Architekten Karl Pinno und Peter Grund in Dortmund. Foto: F. Baumgarten

    Download Bild (JPG, 1,66 MB)
  2. Kirchengebäude

    Die Kirche St. Engelbert in Köln-Riehl von Dominikus Böhm. Foto: J. Gregori

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Logos der Projektbeteiligten

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