Pressemeldung
Duisburger Kita „Tausendfüssler“: Auf dem Weg in Richtung Inklusion
Heilpädagogische Kindertagesstätte nimmt neuerdings auch Kinder ohne Behinderung auf / Interdisziplinäres Frühförderzentrum ermöglicht Behandlung im Kita-Alltag / Innovatives Beispiel für Einsatz der LVR-Kindpauschale
Köln. 20. Oktober 2015. „Als wir Ende 2013 die LVR-Kindpauschale vorstellten, waren viele Träger und Kindertageseinrichtungen skeptisch, ob und wie dieses neue Modell in ihren Alltag passt“, sagt LVR-Jugenddezernent Lorenz Bahr. Mit der Einführung hat der Landschaftsverband Rheinland (LVR) bei der Förderung von Kindern mit Behinderung in Kitas einen Wechsel vollzogen – von einer gruppenbezogenen hin zu einer inklusiven, auf das einzelne Kind bezogenen Denkweise. Das Ziel: Jedes Kind, ob mit oder ohne Behinderung, soll jede Kita besuchen können. Der LVR fördert in dem neuen System deshalb nicht mehr ganze Gruppen, sondern stellt 5.000 Euro pro Kind mit Förderbedarf und Jahr zur Verfügung. Das Geld soll für den pädagogischen Mehraufwand, für Qualifizierung und Beratung eingesetzt werden. Die therapeutische Versorgung der Kinder mit Handicap muss künftig von den Kita-Trägern selbst organisiert werden und die Kosten mit den Krankenkassen abgerechnet werden. Zum 1. August 2016 gilt das neue Fördermodell verbindlich für alle Kitas im LVR-Gebiet.
„Der große Vorteil liegt für uns in der Tatsache, dass Eltern sich nun eine beliebige Kita in der Nachbarschaft aussuchen können. Kinder werden so in ihrem eigenen Sozialraum betreut und gefördert. Weite Anfahrtswege zu speziellen Kitagruppen entfallen und die Freunde der Kinder wohnen im Idealfall ganz in der Nähe“, betont Lorenz Bahr. Die Begeisterung für diesen inklusiven Ansatz teilt auch Michael Reichelt, Geschäftsführer der Lebenshilfe Duisburg. Er hat mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus der Kita „Tausendfüssler“ bereits im April 2014 die Weichen für eine gemeinsame Betreuung von Kindern mit und ohne Handicap gestellt. „Wir wollen als Lebenshilfe Duisburg Vorreiterin in Sachen Inklusion sein. Wir sind davon überzeugt, dass Kinder mit und ohne Behinderung gleichermaßen von unserem neuen Modell profitieren. Ich möchte auch Kindertageseinrichtungen anderer Träger Mut machen, sich zu öffnen: Regelkitas für Kinder mit Förderbedarf und heilpädagogische Einrichtungen für Kinder ohne Behinderung“, so Reichelt.
Zum 1. August 2015 hat die Lebenshilfe Duisburg von den ehemals acht heilpädagogischen Gruppen vier aufgelöst. Neben den verbliebenen vier Gruppen, in denen ausschließlich Kinder mit Behinderung gefördert werden, gibt es nun auch zwei Gruppen, in die sowohl Kinder mit als auch ohne Handicap gehen. Eine der beiden Gruppen richtet sich an unter Dreijährige, die andere an Kinder zwischen zwei und sechs Jahren. Bis 2018 sollen alle Gruppen der Einrichtung an der Wiesbadener Straße für Kinder mit und ohne Behinderung geöffnet werden. Mit der Öffnung gehen umfangreiche Umbaumaßnahmen einher. Für die ersten beiden inklusiven Gruppen wurden diese bereits abgeschlossen: Neben einem Ruheraum und neuen Gruppenräumen wurde ein Kinderrestaurant eingerichtet und das Außengelände noch attraktiver gestaltet.
Auf die oft kritisch diskutierte Frage, wie die therapeutische Versorgung der Kinder auch im neuen Fördersystem der LVR-Kindpauschale organisiert werden kann, hat die Kita „Tausendfüssler“ ihre ganz eigene Antwort gefunden. In einem von der Lebenshilfe Duisburg betriebenen Interdisziplinären Frühförderzentrum (IFF) arbeiten in Marxloh ein Kinderarzt sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Fachdisziplinen Heilpädagogik, Logopädie, Physiotherapie, Ergotherapie und Psychologie. Je nach Bedarf rücken die Spezialistinnen und Spezialisten aus und kommen zu den Kindern in die Kita. So wird der Gruppenalltag nicht durch häufige Abwesenheiten beeinträchtigt und Eltern müssen die Therapie nicht außerhalb der Betreuungszeiten organisieren. Nach einer kinderärztlichen Untersuchung im IFF können für einen Zeitraum von meist einem Jahr Rezepte ausgestellt werden. „Wir sind froh, dass wir Eltern von Kindern mit Förderbedarf, die in der Regel ohnehin oft in Wartezimmern sitzen, zusätzliche Arztbesuche ersparen können“, sagt Michael Reichelt. Neben den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im IFF arbeiten auch drei Motopäden für die Kita „Tausendfüssler“ und es gibt Kooperationen mit niedergelassenen Praxen. So können sämtliche Therapiebedarfe der Kinder abgedeckt werden.
Der Erfolg des neuen Konzepts hat sich in Duisburg bereits herumgesprochen: Die Dienste des IFF werden nun auch von Kitas anderer Träger in Anspruch genommen. „Ich möchte der Lebenshilfe Duisburg ein großes Lob aussprechen. Hier wurde eine sehr flexible Lösung geschaffen, von der sogar andere Einrichtungen profitieren. Ich finde, das Duisburger Modell ist unbedingt nachahmenswert und ich kann Trägern in anderen rheinischen Kommunen nur empfehlen, ähnliche Wege zu beschreiten“, betont Lorenz Bahr.
Der LVR unterstützt Träger und Kitas intensiv bei der Umstellung auf das neue Fördersystem. Neben einem Servicetelefon und der Internetseite www.kindpauschale.lvr.de hat der Kommunalverband eine Broschüre mit dem Titel „Die LVR-Kindpauschale – auf dem Weg zu inklusiver Bildung, Erziehung und Betreuung in der Kita“ veröffentlicht und Informationsveranstaltungen angeboten.
Ansprechpartner bei redaktionellen Fragen:
Till Döring
LVR-Fachbereich Kommunikation
Tel 0221 809-7737
Mail till.doering@lvr.de
Bilder zum Download
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Kinder mit und ohne Behinderung spielen und lernen in der Kita "Tausendfüssler" neuerdings gemeinsam. Foto: Marion Koell / LVR
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Bei einem Rundgang durch die Kita "Tausendfüssler" (v.l.): Petra Augustin, stellvertretende Leiterin der Kita sowie Lorenz Bahr und Michael Reichelt. Foto: Marion Koell / LVR