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Pressemeldung

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Statt wegsperren und ausgrenzen: Psychisch Kranke in der Mitte der Gesellschaft

Bilanz und Perspektiven nach 40 Jahren Psychiatrie-Reform / 200 Fachleute diskutieren über die psychiatrische Versorgung im Rheinland / Kritik am Entgeltsystem „PEPP“

Köln. 4. Dezember 2015. Die Psychiatrie-Enquete zählt zu den wichtigsten und erfolgreichsten Reformprojekten in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Anlässlich des 40. Jahrestages diskutieren heute auf Einladung des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) rund 200 Fachleute in Köln-Deutz über Fragen wie: Was ist erreicht, was ist noch offen, wie geht es weiter? Dabei geht es nicht nur um einen Rückblick, sondern vielmehr um eine Analyse und einen Ausblick auf die psychiatrische Versorgung von morgen.

„Der größte Verdienst der Psychiatrie-Enquete ist, dass die Psychiatrie aus ihrer institutionellen Erstarrung aufgeschreckt und einen nachhaltigen Veränderungsimpuls ausgelöst hat“, sagt Martina Wenzel-Jankowski, die als LVR-Dezernentin für einen der größten deutschen Klinikverbünde mit neun psychiatrischen Fachkliniken zuständig ist.

Bereits vor 40 Jahren nahm der LVR als einer der größten Träger psychiatrischer Einrichtungen eine maßgebliche Rolle in der Reformbewegung ein. Dies lag auch an der Person von Prof. Dr. Caspar Kulenkampff, der als führender Kopf der Psychiatrie-Enquete und als LVR-Gesundheitsdezernent die Umsetzung der Empfehlungen in den LVR-Einrichtungen und auf kommunaler Ebene im Rheinland auf den Weg brachte.

Zu den Errungenschaften der Reform zählt der Ausbau tagesklinischer und ambulanter Versorgungsstrukturen, die Entstehung von gemeindepsychiatrischen Einrichtungen und Diensten und die sozialrechtliche Verankerung wichtiger Leistungen für psychisch kranke Menschen wie ambulant betreutes Wohnen, Soziotherapie und ambulante psychiatrische Pflege.

„Die Psychiatrie-Reform hat eine Reihe von Anliegen unvollendet hinterlassen. Der LVR-Klinikverbund sieht dieses ‚Erbe‘ als Auftrag für die weitere Entwicklung der psychiatrischen Versorgung“, unterstreicht die LVR-Dezernentin und stellt auf der Veranstaltung zentrale Handlungsfelder für die Zukunft vor.

Ziel: Inklusive Gemeindepsychiatrie

Durch die Gemeindepsychiatrie ist es oftmals gelungen, psychisch Kranke besser an vielen Stellen des gesellschaftlichen Lebens zu integrieren. Auch gesellschaftspolitisch wurde die Integration von psychisch Kranken in der UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderung aufgenommen, allerdings weitergehend im Sinn eines umfassenden inklusiven Verständnisses. „Die Vision der Inklusion bietet auch einen Treiber für die Versorgung und Teilhabe von psychisch kranken Menschen und behinderten Menschen in den Gemeinden, in Form einer inklusiven Gemeindepsychiatrie“, skizziert Martina Wenzel-Jankowski eine mögliche Zukunftsperspektive.

Ziel: Stärke Beteiligung und Mitwirkung

Zukünftig sollen Menschen mit Psychiatrie-Erfahrung in der klinischen und in der gemeindepsychiatrischen Versorgung mitwirken und beteiligt werden. Als beispielhaft gilt ein Projekt des LVR-Klinikverbundes, in dem Psychiatrieerfahrene zur Genesungsbegleitung in den LVR-Kliniken in Bedburg-Hau, Bonn, Düren, Essen und Köln eingesetzt werden.

Ziel: Transkulturelle Öffnung

Seit einigen Jahren öffnen sich die psychiatrischen Kliniken des LVR der transkulturellen Versorgung von Menschen mit Migrationshintergrund, insbesondere von Flüchtlingen. Unter anderem fördert der LVR-Klinikverbund den Einsatz von Sprach- und Integrationsmittlern in über 20 Sprachen. Über eine reine Dolmetschertätigkeit hinaus, geht es um ein kulturelles Verstehen von Behandelnden und den Patientinnen und Patienten.

Ziel: Modellvorhaben

Eines der zentralen „unvollendeten Anliegen“ der Psychiatrie-Enquete sind die Barrieren zwischen den Versorgungssektoren wie ambulant und stationär. Diese Strukturprobleme werden als die größten Hemmnisse einer guten Versorgung der psychisch Kranken gesehen. Für die LVR-Dezernentin Wenzel-Jankowski sind „Modellvorhaben eine konkrete Möglichkeit, die Finanzierungs- und Versorgungsfragmentierung direkt anzugehen“ und daher ein unverzichtbarer Baustein für die Zukunft.

„Für ein Mehr an Leistungen und Qualität werden auch in Zukunft nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung stehen. Es wird entscheidend darauf ankommen, die psychiatrischen Versorgungsleistungen nach fachlichen, humanitären Anforderungen ebenso wie effizienter Mittelverwendung intelligent zu steuern“, macht Martina Wenzel-Jankowski im Hinblick auf die Finanzierung deutlich. Sie richtet einen Appell an die Anwesenden: „Wir dürfen nicht zulassen, dass die Impulse und Errungenschaften der Psychiatriereform durch ein inkompatibles Entgeltsystem endgültig erstickt werden.“

Ansprechpartnerin für redaktionelle Rückfragen:

Landschaftsverband Rheinland
LVR-Fachbereich Kommunikation
Katharina Landorff
Tel 0221 809-2527
E-Mail: katharina.landorff@lvr.de

Bilder zum Download

  1. Gruppe von Menschen vor einem Banner.

    Mehrere Psychiatergenerationen diskutieren über die wichtigsten Punkte der Psychiatriereform und zeigen Zukunftsperspektiven auf (v.l.n.r.): Martina Wenzel-Jankowski (LVR-Dezernentin Klinikverbund und Verbund Heilpädagogischer Hilfen), Johannes Köhler (Assistenzarzt in Weiterbildung zum Facharzt Psychiatrie und Psychotherapie LVR-Klinik Langenfeld), Dr. Jutta Muysers (Ärztliche Direktorin LVR-Klinik Langenfeld) und Prof. Dr. Wolfgang Gaebel (Ärztlicher Direktor LVR-KlinikumDüsseldorf). Foto: Marion Koell / LVR

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  2. Gruppe von Menschen vor einem Banner

    Referieren bei der Veranstaltung "40 Jahre Psychiatrie-Enquete" (v.l.n.r.): Johannes Köhler (LVR-Klinik Langenfeld), Rainer Kukla (LVR-Gesundheitsdezernent a.D.), Martina Wenzel-Jankowski (LVR-Dezernentin Klinikverbund und Verbund Heilpädagogischer Hilfen), Prof. Dr. Wolfgang Gaebel (Ärztlicher Direktor LVR-Klinikum Düsseldorf) und Jörg Holke (Referatsleiter NRW-Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter). Nicht auf dem Foto: Petra Tabeling (Journalistin Köln) und Dr. Joachim Brandenburg (Vertreter von Psychiatrie-Erfahrenen). Foto: Marion Koell / LVR

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  3. Besucher einer Fachtagung, die zuhören

    Bilanz und Perspektiven nach 40 Jahren Psychiatriereform: die Referentinnen und Referenten. Foto: Marion Koell / LVR

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