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Auseinandersetzung mit eigener Geschichte bleibt weiter Thema

LVR ließ Rolle des ersten Landesdirektors seit der NS-Zeit untersuchen / Öffentliche Vorstellung der Ergebnisse und Diskussion

Köln. 31. Oktober 2016. Inwieweit war das Handeln von Udo Klausa als erstem Direktor des Landschaftsverbandes Rheinland (1954 bis 1975) von seinen Erlebnissen im Nationalsozialismus geprägt? Wie sehr war er von seinem beruflichen Vorleben als Landrat im polnischen Bedzinie, knapp 40 Kilometer von Auschwitz entfernt, geleitet? Und hat dies konkrete Auswirkungen auf sein Verwaltungshandeln gehabt; trug er doch als Verwaltungschef des damals noch jungen LVR unter anderem auch Verantwortung für Menschen mit Behinderungen?

Antworten auf diese und viele andere Fragen gibt jetzt die 630 Seiten starke Studie „Verwaltungsdienst, Gesellschaftspolitik und Vergangenheitsbewältigung nach 1945.“, die der LVR 2012 in Auftrag gegeben hatte. Die Ergebnisse stellte der LVR nun öffentlich im LVR-Landeshaus vor. Prof. Dr. Jürgen Wilhelm, Vorsitzender der Landschaftsversammlung Rheinland, wies bei der Vorstellung darauf hin: „Klausas Verhältnis zum NS-Gedanken¬gut und zur NS-Vergangenheit, seine Rolle in der Personalpolitik und sein Verhältnis zur Psychiatrie sind zentrale Aspekte der vorliegenden Studie. Darüber hinaus untersucht sie umfassend Klausas Handeln als Direktor des Landschaftsverbandes, sein Agieren als Verwaltungschef und sein politisch-historisches Weltbild ‚nach 1945‘. Die Studie handelt also auch von dem Übergang eines ehemaligen Landrats aus der NS-Zeit in die Bundesrepublik, seinem beruflichen Aufstieg zum Chef des LVR, seinem dienstlichen Handeln in sich ändernden Kontexten und der Bedeutung seiner Person für den Landschaftsverband.“

Prof. Dr. Michael Dreyer, Professor für Politische Theorie und Ideengeschichte, Universität Jena, und die beiden Autoren der Studie, die Historiker Dr. Uwe Kaminsky, Ruhr-Universität Bochum, und Dr. Thomas Roth, NS-Dokumentationszentrum Köln, präsentierten ihre Arbeit und die Ergebnisse. Die Studie beleuchtet die Karriere Udo Klausas im Rahmen des Wiederaufbaus in der Nachkriegszeit. Sie zeigt sein berufliches Selbstverständnis als politischer Verwaltungsbeamter und geht zentralen Handlungsfeldern in Personalpolitik, Jugendhilfe, Psychiatrie und Kulturpflege nach. Besonderes Augenmerk richten die Verfasser auf Klausas apologetischen Umgang mit seiner NS-Vergangenheit. Er steht dabei exemplarisch für das Agieren von Verwaltungsjuristen aus der NS-Zeit in der Bundesrepublik.

In der sich anschließenden Gesprächsrunde, die vom Kölner Journalist Martin Stankowski moderiert wurde, ging es neben der Studie vor allem um die Bedeutung für die Gegenwart.

Dr. Ralf Seidel, langjähriger ärztlicher Direktor der LVR-Klinik Mönchengladbach, erinnerte vor allem an die Veränderungen in der Psychiatrie seit den 1970er Jahren. An seinen Schilderungen wurde deutlich, wie nachhaltig negativ die Behandlung von psychisch kranken Menschen durch die Nazi-Zeit geprägt war. Prof. Dr. Jürgen Rolle, Vorsitzender des Kulturausschusses, berichtete, dass vor allem durch einen politischen Beschluss im Jahre 2009 die umfängliche Aufarbeitung der Vergangenheit begann, die heute unter der Überschrift „Der LVR stellt sich seiner Geschichte“ gefasst wird. Weiter zurück, nämlich bis ins Jahr 1983, reichen zahlreiche einzelne Aktivitäten in den vielen Dienststellen des LVR – von Gedenkveranstaltungen über Ausstellungen, Studien und Publikationen bis hin zu Eröffnungen von Psychiatriemuseen in Bedburg-Hau, Düren sowie Bonn.

„Wenn wir uns mit unserer Geschichte auseinandersetzen, dann auch deswegen, damit wir als Verwaltung die Gegenwart und Zukunft unseres Verbandes mit Respekt vor den Menschen, für die wir arbeiten, gestalten können“, betonte LVR-Direktorin Lubek. „Für Menschen mit psychischen Erkrankungen und Behinderungen muss der LVR ein verlässlicher Partner sein, der ihnen bei der Bewältigung ihrer schwierigen Lebenssituation hilft, ihre Menschenwürde achtet und sich für adäquate Hilfsangebote und medizinische Versorgung einsetzt.“

Im Gespräch wurde deutlich, dass für den LVR Rückmeldungen von ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die Klausa kennengelernt haben, von großer Bedeutung sind. „Das Thema wird uns noch lange beschäftigen. Und wir müssen uns bei allem, was wir tun, immer selbstkritisch nach dem ‚Warum‘ fragen und prüfen, ob dies ‚Qualität für Menschen‘ – also unserem Leitziel – entspricht“, war man sich einig.

Mit dem Schluss-Satz der Publikation beendete Stankowski die Präsentation: „Für eine kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte des LVR ist die Beschäftigung mit der Person Udo Klausas unbedingt notwendig, aber nicht hinreichend.“

Weitere Infos unter: http://www.lvr.de/media/pressemodul/img_1/fb_03/2016_1/der_lvr_4/tour_der_begegnung_2016/03_Darstellung_Aktivitaeten_DER_LVR_stellt_sich_seiner_Geschichte.pdf

Pressekontakt:

Birgit Ströter
LVR-Fachbereich Kommunikation
Telefon 02 21 809 – 7711

Hinweis für die Redaktionen: Die Ergebnisse der Studie sind in der Publikation zusammengefasst, die wir Ihnen auf Wunsch gerne zukommen lassen.

Thomas Roth, Uwe Kaminsky: Verwaltungsdienst, Gesellschaftspolitik und Vergangenheitsbewältigung nach 1945. Udo Klausa, Direktor des Landschaftsverbandes Rheinland (1954 – 1975). Metropol Verlag Berlin 2016, 39 Euro.

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  1. Präsentierten die Studie zu Udo Klausa: Prof. Dr. Jürgen Rolle, Dr. Thomas Roth, Landesdirektorin Ulrike Lubek, Anne Henk-Hollstein, Dr. Uwe Kaminsky und Prof. Dr. Jürgen Wilhelm. Foto: LVR / Geza Aschoff

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