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LVR lässt Medikamentenversuche wissenschaftlich untersuchen

Landschaftsausschuss beschließt Studie zu Einsatz und Erprobung von Medikamenten an Kindern und Jugendlichen von 1945 bis 1975 / Exemplarische Untersuchung der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Viersen / 100.000 Euro stehen für Forschungsprojekt zur Verfügung

Köln. 9. Februar 2017. Der Landschaftsverband Rheinland (LVR) lässt den Umgang mit Medikamenten in seinen kinder- und jugendpsychiatrischen Einrichtungen zwischen 1945 und 1975 wissenschaftlich aufarbeiten. Das hat der Landschaftsausschuss der Landschaftsversammlung Rheinland nun beschlossen. Im Fokus der Untersuchung werden Medikamentenversuche an Kindern und Jugendlichen sowie die Vergabepraxis stehen. Aufgrund ihres Vorzeige- und Modellcharakters in den 1960er und 1970er-Jahren soll exemplarisch die Kinder- und Jugendpsychiatrie der LVR-Klinik Viersen untersucht werden. Für das Forschungsprojekt stehen im LVR-Haushalt für die nächsten zwei Jahre insgesamt 100.000 Euro zur Verfügung. Die Federführung hat das Kulturdezernat des LVR mit seinem Archivberatungs- und Fortbildungszentrum übernommen.

Im Oktober des letzten Jahres hatte der LVR nach dem Bekanntwerden von Vorwürfen über Medikamentenversuche und den missbräuchlichen Einsatz von Arzneimitteln eine konsequente Aufarbeitung für seinen Verantwortungsbereich angekündigt. „Unabhängig davon, ob Psychopharmaka zur regelmäßigen Sedierung von Kindern und Jugendlichen eingesetzt wurden, oder ob Pharmakonzerne mit Unterstützung unserer Einrichtungen Testreihen durchgeführt haben: Wir wollen diese Fakten erfahren. Nur so können wir sie in den historischen Kontext einordnen und Schlüsse für die heutige Zeit ziehen“, so Prof. Dr. Jürgen Wilhelm, Vorsitzender des Landschaftsausschusses. „Die Untersuchung des Umgangs mit Medikamenten in unseren Einrichtungen reiht sich ein in eine Serie von wissenschaftlichen Studien, mit denen der LVR seine Verbandsgeschichte beleuchtet hat. Hierzu gehören ausdrücklich auch unangenehme Wahrheiten, wie die NS-Vergangenheit des ersten LVR-Direktors Udo Klausa oder der unmenschliche Umgang mit Heimkindern in den Nachkriegsjahrzehnten“, betont LVR-Direktorin Ulrike Lubek.

Die Krefelder Pharmazeutin Sylvia Wagner hatte in einem wissenschaftlichen Aufsatz öffentlich gemacht, dass es zwischen 1950 und 1970 bundesweit gängige Praxis war, Minderjährigen Impfstoffe und Psychopharmaka zu verabreichen. In Nordrhein-Westfalen sollen in mindestens fünf Einrichtungen Arzneimittel an Kindern und Jugendlichen getestet worden sein, oft mit verheerenden Folgen für die Opfer. In diesem Zusammenhang wird auch die LVR-Klinik Viersen erwähnt. Der LVR ließ daraufhin prüfen, welche Aktenbestände in seinen Kliniken noch vorhanden sind. Hierbei stießen LVR-Mitarbeiter auf rund 3.000 Einzelfallakten sowie Arznei- und Medikamentenverordnungsbücher in der Kinder- und Jugendpsychiatrie der LVR-Klinik Viersen, die noch nie Gegenstand einer wissenschaftlichen Untersuchung waren. Diese Dokumente sollen nun im Rahmen der beschlossenen Studie untersucht werden. Darüber hinaus sollen die Forscherinnen und Forscherinnen versuchen, in Firmenarchiven von Pharmaunternehmen Hinweise auf Medikamentenversuche an Kindern und Jugendlichen zu finden.

Das Forschungsprojekt soll nach einem Jahr mit einem Forschungsbericht abschließen, der zu einer Buchpublikation ausgebaut werden kann.

Ansprechpartner für redaktionelle Fragen:

Till Döring
LVR-Kommunikation
Tel 0221 809-7737
Mail till.doering@lvr.de

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