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Schritt für Schritt in die Selbstständigkeit

Claudia F. hat eine seelische Behinderung und lebt mit ambulanter Unterstützung in den eigenen vier Wänden. Sie berichtet von ihrem Weg in die Selbstständigkeit - der nicht immer einfach, aber auf alle Fälle lohnenswert war.

Eine Frau sitzt in ihrer Wohnung im Sessel und liest.

"Ich nehme mir neue Ziele vor und bin gespannt, ob ich sie erreiche!"

Schon als Jugendliche habe ich viel Sport gemacht: Reiten, Skifahren, Tanz und Ballett. In Köln habe ich dann Sport studiert. Das Studium war hart. 1989 bin ich psychisch krank geworden. Auch wegen privater Probleme und wegen meiner Familiengeschichte. Ich habe das alles einfach nicht mehr gepackt.

Mit einer Psychose sieht man die Welt anders als andere Menschen. Man lebt in seiner eigenen Welt. Andere Menschen können das nicht verstehen.

1995 bin ich zusammen mit einer Bekannten in das Betreute Wohnen gegangen. Vorher habe ich in einem Wohnheim gewohnt. Das hat auf das selbstständige Wohnen vorbereitet. Seit 1997 wohne ich alleine.

Jedes Jahr mache ich einen Hilfeplan

Beim ersten Hilfeplan wussten wir noch nicht, wie viel Unterstützung ich brauche. Eine Stunde in der Woche war aber zu wenig. Als es mir besonders schlecht ging, brauchte ich sechs Stunden. Damals habe ich in der Hilfeplankonferenz erzählt, warum ich diese sechs Stunden benötige.

Jetzt habe ich nur noch 2,5 Stunden in der Woche. Schließlich habe ich mich weiterentwickelt. Unterstützung brauche ich immer weniger. Ich schaffe das mit der Sauberkeit und Ordnung in der Wohnung. Auch meinen Papierkram kann ich alleine regeln. Und alles mit der Bank.

Früher hatte ich Probleme mit Geld. Ich habe Schulden gemacht. Meine arme Betreuerin hat damals drei schlaflose Nächte gehabt. Weil sie nicht wusste, wie ich von den Schulden runter komme. Das stand auch im Hilfeplan. Ich habe wenig Geld, komme damit aber gut klar.

Ich habe viele Hobbys

Ich gehe gerne ins Theater und ich mache einen Tanzkurs. Bei fast jedem Wetter gehe ich spazieren oder ich fahre mit dem Fahrrad. Ich habe Französisch gelernt und unterrichte einen Nachhilfeschüler.

Tagsüber gehe ich in die Tagesstätte des SPZ. Da mache ich zum Beispiel Ergotherapie. Um meine Pünktlichkeit zu trainieren und um genau zu arbeiten. Ich arbeite an meiner Konzentration und meinem Durchhaltevermögen. Zuletzt habe ich einen großen Spiegel gebaut. Der hängt jetzt über meinem Sofa in der Wohnung.

Früher habe ich in einer Werkstatt für behinderte Menschen gearbeitet. Das war aber nicht so mein Fall. In der Hilfeplankonferenz habe ich das auch gesagt.

Irgendwann möchte ich wieder arbeiten gehen. Im Sportbereich zu arbeiten geht leider nicht mehr. Wegen der Medikamente, die ich nehmen muss. Irgendetwas mit Kultur möchte ich arbeiten. Das steht auch im Hilfeplan. Ich finde es gut, dass darin kleine Ziele stehen.

Mit Bettina Spieske spreche ich über alles

Bettina Spieske betreut mich seit einem halben Jahr. Wir treffen uns zwei Mal in der Woche und reden über alles, was in meinem Hilfeplan steht. Zum Beispiel, ob mein Freundeskreis größer geworden ist, ob ich besser mit meinen Nachbarn auskomme oder wie ich die Probleme mit meiner Familie im Griff habe. Wenn ich Probleme mit dem Amt habe, begleitet sie mich.

Wenn mir jemand seine Probleme erzählt, bewege ich die ständig in meinem Kopf. Ich kann nicht abschalten und träume sogar davon. Mit den Problemen anderer Menschen beser umgehen zu können, steht auch in meinem Hilfeplan. Auch darüber spreche ich mit Frau Spieske.

Die Gespräche mit Frau Spieske brauche ich, damit ich stabil bleibe und nicht wieder abdrifte. Manchmal geht es mir auch schlecht. Mir geht die Kraft aus. Ich bin dann nicht belastbar. Das passiert, wenn zu viele Reize auf mich einwirken. Wenn alles so bunt, laut, grell und hektisch ist. Dann kann ich Bettina Spieske anrufen.

Ich bin gespannt, was ich noch erreiche

Jetzt bin ich 43 Jahre alt. Ich bin zufrieden, habe meine eigene Wohnung und meine Freunde. Meine Familie steht hinter mir und unterstützt mich.

Einmal im Jahr überprüfe ich, welche Ziele aus meinem Hilfeplan ich erreicht habe und welche nicht. Ich bin immer wieder erstaunt, was ich schaffe. Ich nehme mir dann neue Ziele vor und bin gespannt, ob ich sie erreiche.