Pressemeldung
Newsletter "Rechtsfragen der Jugendhilfe"
Ausgabe März 2022
Inhalt dieser Ausgabe:
1. Aktuelles zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine auf den Internetseiten des LVR-Landesjugendamts Rheinland
Aktuelle Informationen zu Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine finden Sie hier. Dort erhalten Sie unter anderem Informationen, Rechtsgutachten, FAQs und Links zu den Themen „Inobhutnahme und Verteilung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge“, „Einrichtungsbezogene Fragestellungen“ und „Kostenerstattung“ und anderen Themenfeldern sowie Ansprechpersonen im LVR-Landesjugendamt Rheinland.
Die Seite hierzu wird fortlaufend aktualisiert.
2. Aus der Gesetzgebung
Verbesserung des Kinderschutzes im Familienverfahrensrecht
In der vergangenen Legislaturperiode wurde ein Gesetzentwurf des Bundesrates zur Verbesserung des Kinderschutzes im Familienverfahrensrecht eingebracht. Hierdurch sollten die Konsequenzen aus dem bundesweit bekannt gewordenen „Stauffener Missbrauchsfall“ gezogen werden. Der Gesetzgebungsverfahren konnte aufgrund des Endes der Legislaturperiode nicht mehr abgeschlossen werden.
Das Land Baden-Württemberg hat den Gesetzentwurf erneut eingebracht.
Dem Gesetzentwurf zur Änderung des FamFG liegt die Erkenntnis zugrunde, dass Grundvoraussetzung einer tragfähigen Entscheidung des Familiengerichts neben der Einhaltung der Verfahrensregeln die umfassende Ermittlung des Sachverhalts und, bei Feststellung einer Gefährdung des Kindeswohls, die Anordnung geeigneter Maßnahmen sowie deren Wirksamkeitskontrolle ist.
Der Gesetzentwurf will die Einbeziehung von und Befassung mit dem jeweils betroffenen Kind stärken und zwar auch dann, wenn dieses sich altersbedingt noch nicht hinreichend verbal mitteilen kann. Der Informationsaustauschzwischen Gericht und Jugendamt soll gestärkt werden und das Gericht soll ausdrücklich verpflichtet werden, mit dem Jugendamt auch die Umsetzbarkeit geplanter Maßnahmen zu erörtern. Es soll klargestellt werden, dass das Gericht Anordnungen nach § 1666 Abs. 3 BGB in angemessenen Zeitabständen darauf zu überprüfen hat, ob diese umgesetzt wurden und sich als wirksam erweisen. Zudem soll die Möglichkeit der Anhörung Dritter gestärkt werden sowie das Institut der Verfahrensbeistandschaft durch eine Streichung des Regelvorbehalts in § 158 FamFG gestärkt werden.
Die erneute Einbringung ist am 11. März 2022 vom Bundesrat beschlossen worden.
Gesetzentwurf des Bundesrates zur Verbesserung des Kinderschutzes im Familienverfahrensrecht
Referentenentwurf eines Sofortzuschlags- und Einmalzahlungsgesetzes
Das Bundeskabinett hat am 16. März 2022 den gemeinsam vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales vorgelegten Entwurf eines Sofortzuschlags- und Einmalzahlungsgesetzes beschlossen.
Den Kindersofortzuschlag in Höhe von 20 Euro monatlich sollen ab dem 1. Juli 2022 alle Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Haushalt der Eltern, die Anspruch auf Leistungen gemäß SGB II, SGB XII, Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), Kinderzuschlag oder auf Ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) haben, erhalten.Damit sollen die Betroffenen bis zur Einführung der im Koalitionsvertrag verabredeten neuen Kindergrundsicherung ergänzend unterstützt werden.
3. Aus der Gesetzgebung des Landes Nordrhein-Westfalen
Landeskinderschutzgesetz NRW und Änderung des Kinderbildungsgesetzes - gemeinsame Anhörung des Ausschusses für Familie, Kinder und Jugend sowie der Kinderschutzkommission
Im Januar dieses Jahres hatte die erste Lesung des Entwurfs für ein Gesetz zum Schutz des Kindeswohls und zur Weiterentwicklung und Verbesserung des Schutzes von Kindern und Jugendlichen in NRW (Landeskinderschutzgesetz) stattgefunden. Als Ergebnis der Beratungen war der Gesetzentwurf federführend an den Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend überwiesen worden, sowie an die Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder, an den Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen, an den Haushalts- und Finanzausschuss und den Innenausschuss.
Ziel des Gesetzes ist es, die Arbeit der Jugendämter bei der Abwehr von Kindeswohlgefährdungen auf der Grundlage des § 8a SGB VIII zu unterstützen und qualitativ weiter auszubauen. Wesentliche Anknüpfungspunkte sind der Kinderschutz und Kinderrechte, das Verfahren im Kinderschutz, die interdisziplinäre Kooperation im Kinderschutz sowie Kinderschutzkonzepte.
Eine erste Anhörung im Landtag hat am 10. März 2022 im Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend und in der Kinderschutzkommission stattgefunden. Sachverständige haben den Gesetzentwurf in zentralen Punkten der Verbesserung des Kinderschutzes gelobt, gleichzeitig jedoch darauf hingewiesen, dass qualifizierter Kinderschutz auch qualifiziertes Fachpersonal in ausreichendem Umfang erfordere. Zudem wird angemerkt, dass zusätzliche finanzielle Belastungen auf Städte, Kreise und Gemeinden zukommen.
Das Gesetz soll zum 1. Mai 2022 in Kraft treten.
Anhörung zum Landeskinderschutzgesetz NRW und Änderung des Kinderbildungsgesetze
4. Rechtsprechung
Erstmalige Anordnung eines Wechselmodells nur im Rahmen eines Umgangsverfahrens möglich
OLG Frankfurt, Beschluss vom 15. Februar 2022
Az. 3 UF 81/21
Die Eltern streiten sich im Rahmen eines sorgerechtlichen Verfahrens, ob hinsichtlich der Betreuung ihres Kindes ein Wechselmodell anzuordnen ist. Der Vater hat die Herstellung des Wechselmodells im Rahmen eines Sorgeantrags begehrt. Die Mutter hat im späteren Verlauf des Verfahrens beantragt, ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht zur alleinigen Ausübung zu übertragen.
Das Amtsgericht hat als Beschluss der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen und die Anträge des Vaters zurückgewiesen. Es hat dieses explizit zum Zweck übertragen, überwiegende Obhutsanteile der Mutter sicherzustellen und das Wechselmodell des Vaters zu verhindern.
Gegen den Beschluss hat als Beschwerdeführer der Vater Beschwerde eingelegt. Das Amtsgericht habe ihm ohne Not und ohne Erklärung das in Art. 6 GG verwurzelte Erziehungsrecht genommen und das Wechselmodell zu Unrecht abgelehnt.
Der Beschwerde wurde stattgegeben. Das Gericht ist der Auffassung, dass die gemeinsame elterliche Sorge bezüglich des Aufenthaltsbestimmungsrechts wiederherzustellen sei. Das Oberlandesgericht meint, dass die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge bezüglich des Aufenthaltsbestimmungsrechts und dessen Übertragung auf die Mutter nicht dem Kindeswohl entspreche.
Sorge- und Umgangsrecht sind eigenständige Verfahrensgegenstände. Bei sorgerechtlichen Entscheidungen geht es um die Frage der Rechtszuständigkeit, während es bei Umgangsregeln um die tatsächliche Ausübung der elterlichen Sorge geht. Letztere schränken insoweit die Befugnisse der Sorgeberechtigten entsprechend ein, ohne in das Sorgerecht als Status einzugreifen. Die erstmalige Anordnung eines Wechselmodells bei ausschließlichem Streit der Eltern über diese Frage, könne nur im Umgangsverfahren erfolgen, denn bei der Feststellung eines bestimmten Betreuungsmodells handelt es sich um eine Frage der tatsächlichen Ausübung elterlicher Sorge. Jedenfalls dann, wenn es nicht um die Umsetzung von mehr als hälftigen Betreuungsanteilen geht. Zwischen den Eltern ist lediglich die Frage streitig, in welchem zeitlichen Umfang, welcher 50% nicht übersteigen soll, das Kind durch den Vater betreut werden soll. Die erstinstanzlich vorgenommene Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts, gehe somit über die im Sorgerechtsstreit zu treffende Entscheidung über eine Aufhebung oder Beibehaltung des gemeinsamen Sorgerechts hinaus.
Eine sorgerechtliche Verortung des Wechselmodells würde zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in das Sorgerecht des anderen Elternteils führen, weil diese Regelung deutlich über die allein streitige Frage der Häufigkeit der Umgangskontakte hinausgehen würde. Jeder Elternteil, der das Wechselmodell erreichen will, liefe Gefahr als Folge seines Begehrens einen massiven Eingriff in sein Elternrecht aus Art. 6 GG in Form des Entzugs des Aufenthaltsbestimmungsrechts hinnehmen zu müssen. Für eine umgangsrechtliche Verortung spricht überdies effizientere Durchsetzungsmöglichkeiten und die Ermöglichung eines amtswegigen Tätigwerdens.
Hinzuziehen einer Vertrauensperson bei der qualifizierten Inaugenscheinnahme
Oberverwaltungsgericht Bremen, Beschluss vom 24. Februar 2022
Az. 2 B 456/21
Der Antragsteller meldete sich am bei einer Aufnahmeeinrichtung in Bremen und gab an, am 24.05.2004 in Guinea-Bissau geboren worden und unbegleitet zu sein. Es stellte sich heraus, dass er bereits am in Monza (Italien) als Asylantragsteller registriert wurde. Am fand eine qualifizierte Inaugenscheinnahme zur Feststellung der Minderjährigkeit (§ 42f Abs. 1 SGB VIII) statt. Dabei bestätigte der Antragsteller am, dass er über die Hinzuziehung einer Vertrauensperson aufgeklärt worden sei und keine hinzuziehen möchte.
Die Stadtgemeinde Bremen beendete mit Bescheid vom die vorläufige Inobhutnahme, da der Antragssteller aufgrund seines äußeren Erscheinungsbildes und den Ergebnissen der qualifizierten Inaugenscheinnahme zweifelsfrei volljährig sei. Er habe seine Minderjährigkeit nicht plausibel dargelegt und sich widersprüchlich und unzureichend hinsichtlich seines Asylantrags in Italien und dem zeitlichen Ablauf seiner Reise geäußert.
Der Antragsteller legte gegen die Beendigung der vorläufigen Inobhutnahme Widerspruch ein. Beim Verwaltungsgericht beantrage er die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs mit der Begründung, er sei erst unmittelbar zu Beginn des Gesprächs über die Möglichkeit der Hinzuziehung einer Vertrauensperson informiert worden und habe so dieses Recht tatsächlich nicht ausüben können. Es sei nicht auszuschließen, dass die Sachentscheidung dadurch beeinflusst worden sei. Zudem sei nicht hinreichend gewürdigt worden, dass er psychisch schwer belastet sei, was in einer amtsärztlichen Stellungnahme festgestellt worden sei.
Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag ab. Zwar seien nicht alle Argumente der Antragsgegnerin hinsichtlich der Ungereimtheiten der Reise überzeugend. Allerdings sei auch nicht plausibel, dass der Antragsteller einige Zeiträume genau benennen könne und andere Daten, die auf sein Alter hindeuten, nicht angeben konnte. Zudem sei die Rechtswidrigkeit des Vorgehens, dass er erst zu Beginn des Gesprächs über die Möglichkeit der Hinzuziehung einer Vertrauensperson informiert wurde, unbeachtlich. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Abwesenheit der Vertrauensperson mitursächlich für die unzureichenden Angaben des Antragstellers sei. Ebenso wies die Antragsgegnerin den Widerspruch als unbegründet zurück.
Der Antragsteller Klage beantragte beim Oberverwaltungsgericht Bremen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage.
Die Beschwerde ist begründet, weil der Antragsteller bei der qualifizierten Inaugenscheinnahme nicht rechtzeitig über die Möglichkeit der Hinzuziehung einer Vertrauensperson informiert worden sei und dieser Verfahrensfehler nicht nach § 42 S. 1 SGB X unbeachtlich sei. Da der Antragsteller erst zu Beginn der Inaugenscheinnahme informiert worden sei, habe er sein Recht tatsächlich nicht ausüben können. Der Fehler sei nicht durch die Inaugenscheinnahme an dem späteren Termin geheilt worden, da man diese dort lediglich fortgesetzt und auch die Ergebnisse vom ersten Termin verwendet habe. Weiterhin bestehe die konkrete Möglichkeit, dass die vorläufige Inobhutnahme nicht nach der Inaugenscheinnahme beendet, sondern der Sachverhalt weiter aufgeklärt worden wäre, wenn eine Vertrauensperson anwesend gewesen wäre. Im Ergebnis hätte man feststellen können, dass eine Befragung nicht geeignet sei, um das Alter festzustellen und eine ärztliche Untersuchung hätte die Minderjährigkeit ergeben können.
Keine Anwendung des § 89b SGB VIII bei einer Zuständigkeit nach § 88a SGB VIII
Verwaltungsgericht Stuttgart, Urteil vom 20. Dezember 2021
Az. 7 K 6259/20
Im Jahr 2016 nahm das Jugendamt der Beklagten einen unbegleitet mindejährigen Ausländer nach § 42a SGB VIII vorläufig in Obhut. Da eine Umverteilung nach § 42b Abs. 4 SGB VIII nicht möglich war, wechselte die Maßnahme in eine Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII. Der überörtliche Träger erkannte seine Kostenerstattungspflicht nach § 89d SGB VIII an.
Der Junge entwich im weiteren Verlauf mehrere Male aus der Einrichtung, wurde durch die Klägerin in Obhut genommen und in die Einrichtung der Beklagten zurückgeführt.
Die Klägerin begehrte für die gewährten Inobhutnahmen daraufhin sowohl beim beklagten Jugendamt Kostenerstattung nach § 89b SGB VIII als auch hilfsweise beim beklagten überörtlichen Träger nach § 89d SGB VIII.
Da beide angegangenen Träger ihre Kostenerstattungspflicht ablehnten, hat die Klägerin die vorliegende Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben und beantragte, das Jugendamt der Beklagten zur Erstattung der Kosten nach § 89b SGB VIII zu veruteilen. Weiterhin beantragte sie, hilfsweise den überörtlichen Träger zur Erstattung zur verurteilen. Beide Beklagten beantragten, die Klage abzuweisen.
Das Verwaltungsgericht hat entschieden, dass die Klage im Haupt- wie auch im Hilfsantrag keinen Erfolg hat.
Eine Kostenerstattung nach § 89b Abs. 1 SGB VIII sei ausgeschlossen, da sich die Zuständigkeit nicht nach einem gewöhnlichen Aufenthalt nach § 86 SGB VIII, sondern dem tatsächlichen Aufenthalt nach § 88a SGB VIII begründe.
Ein Anspruch nach § 89d SGB VIII gegen den beklagten überörtlichen Träger scheide ebenfalls aus, da die Inobhutnahme nicht innerhalb eines Monats nach Einreise erfolgte.
Auch eine Erstattung nach § 89b Abs. 2 und § 89 SGB VIII komme nicht in Betracht, weil sie sich nur gegen den überörtlichen Träger richten, zu dessen Bereich der örtliche Träger gehöre. Außerdem würde eine Anwendung daran scheitern, dass sich die örtliche Zuständigkeit nicht nach einem tatsächlichen Aufenthalt nach den Vorschriften der §§ 86, 86a oder 86b SGB VIII richte und nicht für eine Inobhutnahme gelte.
Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart
Betriebserlaubnispflichtige Einrichtung bei familienähnlicher Betreuungsform; §§ 45,45a SGB VIII
Verwaltungsgericht Bayreuth, Beschluss vom 31. Januar 2022
Az. B 10 E 21.1315
Die Antragstellerin ist ein bundesweit tätiger Träger von Erziehungsstellen und bietet Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in familienähnlichen Betreuungsformen in Gestalt von Hilfen zur Erziehung und Eingliederungshilfen an. Aufgrund eines Standortwechsels beantragte die Antragstellerin bei der Regierung von Oberfranken, der Antragsgegnerin, die Änderung der bisherigen Betriebserlaubnis und hilfsweise die Neuerteilung einer Betriebserlaubnis. Die Antragsgegnerin lehnte beide Anträge ab. Die bestehende Betriebserlaubnis für den alten Standort wurde mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen.
Die Antragstellerin hat dagegen einerseits Klage erhoben und andererseits einstweiligen Rechtsschutz begehrt.
Das Verwaltungsgericht Bayreuth hat den zulässigen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz in der Sache abgewiesen. Der Antrag sei nicht begründet, da die Antragstellerin weder einen Anordnungsanspruch, noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht habe.
Es fehle an einem Anordnungsanspruch im Rahmen der Grundsätze des einstweiligen Rechtsschutzes, da nicht überwiegend wahrscheinlich sei, dass die mit der Hauptsache erstrebte (geänderte) Betriebserlaubnis für die Erziehungsstelle zu erteilen sei. Die Erziehungsstelle sei auf Grundlage der aktuellen Gesetzeslage, insbesondere dem neuen § 45a S.2 und 3 SGB VIII, allem Anschein nach nicht erlaubnispflichtig.
Es bestehe höchstwahrscheinlich kein Anspruch auf Erteilung einer Betriebserlaubnis nach § 45 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S.1 SGB VIII, da es an einer erlaubnispflichtigen Einrichtung fehle. Es handele sich vorliegend zwar um eine auf gewisse Dauer und unter der Verantwortung eines Trägers angelegte förmliche Verbindung ortsgebundener, räumlicher, personeller und sachlicher Mittel mit dem Zweck der ganztägigen oder über einen Teil des Tages erfolgenden Betreuung oder Unterkunftsgewährung von Kindern und Jugendlichen außerhalb ihrer Familie. Doch greife hier vermutlich die Ausnahme des § 45a S. 2 SGB VIII, da hier keine fachliche und organisatorische Einbindung in eine betriebserlaubnispflichtige Einrichtung gegeben sei.
Auch könne sich kein Anspruch auf eine (geänderte) Betriebserlaubnis aus § 48a SGB VIII ergeben. Das Verwaltungsgericht geht davon aus, dass, wenn der Antragstellerin nach dem im Beschluss Ausgeführten, der Einrichtungskontext im Sinne des § 45a S. 2 und S.3 SGB VIII fehle, dies auch dann zu gelten habe, sofern man sie als „sonstige Wohnform“ im Sinne des § 48a SGB VIII qualifiziere.
Ein Anordnungsgrund habe die Antragstellerin ebenfalls nicht geltend gemacht. Sowohl nach Ansicht des Gerichts, als auch nach Ansicht der Antragsgegnerin, bedürfe die Antragstellerin keine Betriebserlaubnis zur Fortführung der Erziehungsstelle, sie sei vielmehr erlaubnisfrei.
5. Publikationen
Handreichung für die Kinderschutzpraxis
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Kinderschutz-Zentren e.V. hat eine Veröffentlichung zum Thema Schlüsselqualifikationen von „insoweit erfahrenen Fachkräften“ in der Fachberatung bei sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen vorgelegt. Sie richtet sich an insoweit erfahrende Fachkräfte, welche aufgrund der Formulierung des Schutzauftrags bei Kindeswohlgefährdung, der Notwendigkeit des Hinzuziehens einer insoweit erfahrenen Fachkraft (§ 8a SGB VIII) und der Verabschiedung des Bundeskinderschutzgesetzes mit den Ergänzungen im § 8b SGB VIII und § 4 KKG zur Unterstützung bei der Einschätzung von Hinweisen auf eine Kindeswohlgefährdung, einen neuen Auftrag haben.
Beleuchtet werden zunächst der grundsätzliche Auftrag, die Rolle, die Ziele und die Zielgruppe der Praxishandreichung. Es folgen die rechtlichen Grundlagen, näher eingegangen wird hier auf den Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdungen und den Anforderungen des § 8a SGB VIII, der fachlichen Beratung und Begleitung nach § 8b SGB VIII und den Neuerungen in § 4 KKG. Zudem widmet sich ein Teil dem Schutz von Sozialdaten, der Erhebung und Übermittlung nach §§ 62,64 SGB VIII und dem persönlichen Vertrauensschutz nach § 65 SGB VIII. Thematisiert wird im Übrigen der strafrechtliche Kontext. In einem weiteren Abschnitt wird grundlegendes Fachwissen vermittelt. Die Handreichung erläutert zudem die besondere Dynamik bei sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche, mögliche Fallstricke und „Fehler“ in der Fachberatung sowie die Phasen des Fachberatungsprozesses und Schritte der Umsetzung, veranschaulicht durch Fallbeispiele.
Handreichung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Kinderschutz-Zentren e.V. für die Kinderschutzpraxis
Materialienband Vormundschaftsreform
Das Bundesforum Vormundschaft und Pflegschaft e. V. hat in Kooperation mit dem Deutschen Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e. V. einen Materialienband zur Vormundschaftsreform veröffentlicht. Der Band richtet sich an Leitungs- und Fachkräfte in den Jugendämtern, Vormundschaftsvereine, ehrenamtliche und berufliche Vormund*innen, aber auch an Verbände und Einrichtungen der Erziehungshilfe oder Zusammenschlüsse von Pflegeeltern.
Die Reform des Vormundschaftsrechts deckt sich in mehreren Punkten mit den Anliegen des neuen SGB VIII und rückt Kinder und Jugendliche nun in der Vormundschaft in den Mittelpunkt. Es wird aber auch die Kooperation zwischen Erziehungspersonen und Sorgeberechtigten gestärkt. Die ehrenamtliche Wahrnehmung der Vormundschaft soll durch die Jugendämter gefördert und gut begleitet werden.
Der Materialienband enthält neben einer Übersicht zu den Kernpunkten der Reform Informationen über verschiedene Schwerpunkte der Reform und weiterführende Aufsätze. Zudem findet sich dort eine Synopse zu den Änderungen des Vormundschaftsrechts im BGB n.F. und die Synopse des DIJUF zu den Änderungen SGB VIII n.F.
Landesrechtsvorbehalte im SGB VIII
Das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e.V. hat eine Übersicht aller Landesrechtsvorbehalte, welche das SGB VIII vorsieht, veröffentlicht. Im Kontext der Umsetzung des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes kommt es immer wieder zu Fragen, an welchen Stellen das SGB VIII Landesrechtsvorbehalte vorsieht, beispielsweise bei den Regelungen zu den Ombudsstellen oder der Schulsozialarbeit. So finden sich 36 Landesrechtsvorbehalte im neuen SGB VIII, welche hier näher erläutert werden.
6. Aktuelle Meldungen
Cybergrooming online melden
Die Landesanstalt für Medien NRW bietet in Zusammenarbeit mit der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime (ZAK NRW) bietet seit Januar 2022 eine vereinfachte Möglichkeit zur Meldung von Verdachtsfällen bei Cybergrooming an. Cybergrooming ist eine Form des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen und wird als Straftat geahndet. Kinder, Lehrkräfte oder Elternteile können sich über ein neues Online-Formular an ZEBRA, das Angebot der Landesanstalt für Medien NRW, wenden. Nach Prüfung wird der Fall an die ZAC NRW weitergeleitet, die die Meldung annimmt und den Fall ermitteln lässt. Dabei stehen Teams von ZEBRA und der Landesanstalt für Medien NRW auf Wunsch beratend zur Seite.
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