Psychotherapie
Land der Seelen
Es beginnt schleichend. Mitten im Leben scheinen die Tage grauer zu werden.
Der Mann, der mitten im Leben steht, Macher, Manager, ertappt sich bei Zweifeln:
Welchen Sinn macht das alles?
Schaffe ich es noch? Immer häufiger. Immer stärker. Immer dumpfer.
Er spricht – natürlich – mit niemandem darüber. Er schläft nicht mehr. Lacht kaum noch. Und eines Tages denkt er das erste Mal: Will ich nicht eigentlich lieber tot sein?
Nichts wird so sein wie vorher. N i c h t s .
Nichts ist so schwer zu begreifen, zu bewältigen, nichts ist so fast unmöglich zu akzeptieren wie eine Erkrankung von Geist, Seele, Bewusstsein bei einem geliebten Menschen oder bei sich selbst. Es stimmt schon, dieses furchtbare Wort: Etwas wird verrückt, aus dem Normalen, Akzeptierten, entrückt in eine Welt jenseits des Verstandenen. Man sagt ja: Er verliert seinen Verstand.
Auch das stimmt: Es geht sehr viel verloren. Und vieles, was vorher klar war, ist nicht mehr zu verstehen.
Verrückt
Auch das: Auf der einen Seite ist eine geistige Erkrankung auch „nur" genau das: ein ganz normales Krankwerden eigentlich. Ein pathologischer Befund, der erhoben, analysiert und therapiert werden muss. Auf der anderen Seite aber ist sie ein Angriff auf das Selbst. Das Ich verliert sich, das, was dem Menschen eigen ist und ihn ausmacht, wird beschädigt oder gar zerstört. Wenn das passiert, wird es eng. Zu eng meist. Das hat mit Seele zu tun, Denken, Erinnern, Fühlen, mit Sehnsucht und Schmerz.
Und das ist eben alles andere als normal. Für den Menschen, dem dies wiederfährt, und für die Menschen, die ihm nahe sind, ist das ein ungeheuerlicher Prozess. Eine einmalige Grenzerfahrung.
Und doch passiert sie, in den verschiedensten Formen und mit den unterschiedlichsten Befunden, jeden Tag und immer wieder: In den Rheinischen Kliniken betreuen wir Menschen, die eine derartige Erfahrung zu bewältigen haben.
Kinder und Jugendliche. Alte Menschen. Menschen, die mitten aus einem erfolgreichen Berufsleben zu uns kommen, und solche, die längst außerhalb dessen leben, was in der Gesellschaft als „normal" gilt. Leben müssen, meist.
Und natürlich haben wir nicht nur mit Menschen zu tun, die psychotisch sind, sondern genauso mit jenen, die depressiv werden, süchtig sind, altersdement, an Essstörungen leiden oder an Alzheimer.
Wir bemühen uns zu verstehen, was ihnen widerfährt und was in ihnen vorgeht. Wir bemühen uns zu heilen und, wenn das nicht möglich ist, zu lindern. Anders ausgedrückt: Wir begleiten all diese Menschen – auf ihren Wegen durch und zu sich selbst, auf ihrer Suche, ihrer Reise durch dieses weite Land in uns, das wir die Seele nennen.